Neue Antworten gesucht

■ Zeitschriften zu feministischer Theorie darf man mit der Lupe suchen: erfreulich darum das Wiedererscheinen der 'Feministischen Studien‘ / Titel des neuen Heftes: „Radikalität und Differenz“

Nachdem die 'Feministischen Studien‘ 1986 ihr Erscheinen einstellen mußten, konnten sie nun Ende letzten Jahres in einem anderen Verlag und mit einem etwas umstrukturierten Herausgeberinnenkreis erneut erscheinen. Konzeptionell schließen die Herausgeberinnen an die „alten“ 'Feministischen Studien‘ an und adressieren sich als „offenes Forum für die Frauenforschung verschiedener Disziplinen“, an alle, „die sich den von der Frauenbewegung aufgeworfenen Fragen stellen, die aber nicht glauben, die Antwort bereits in der Tasche zu haben“. Nicht um die Protektion eines theoretischen oder methodischen „Königinnenwegs“ geht es, sondern darum, „einzugreifen in die gegenwärtige Konjunktur befriedeter Lösungen für das 'Rätsel Weiblichkeit'“, soweit das Editorial. Neben einem thematischen Schwerpunkt soll mit der Rubrik Außer der Reihe die Möglichkeit gegeben werden, flexibel auf aktuelle Diskussionen einzugehen, ergänzt von der Rubrik Diskussion, deren Beiträge mit dem Schwerpunktthema korrespondieren, aber auch Kritiken oder Repliken auf vergangene Hefte beinhalten können.

Im Schwerpunkt des vorliegenden Heftes geht es unter dem Titel Realität und Differenz einmal nicht in erster Linie um die Differenz der Geschlechter, sondern um die Differenzen zwischen Frauen angesichts unterschiedlicher politischer und theoretischer Konzeptionen von „Weiblichkeit“. Die Beiträge sind von dem kritischen Interesse bestimmt, das aus der Realität von Frauen ebensowenig eine „Substantialisierung von Weiblichkeit wie eine Ontologisierung des Geschlechterunterschieds“ abgeleitet werden darf, will frau sich nicht um den besten Teil des Denkens in Differenzen bringen.

Gudrun Axeli-Knapps Beitrag thematisiert dies am Beispiel der Konzepte eines „weiblichen Arbeitsvermögens“. Die Vereinheitlichung von Frauen, die unter der Annahme bestimmter weiblicher Eigenschaften vorgenommen werde, sei „in ihrer Struktur ideologisch“. Neben einem Beitrag von Andrea Maihofer, die eine Kritik am „moralischen Universalismus“ des von Carol Gilligan vorgelegten Konzepts einer „weiblichen Moral“ versucht, fragen Juliane Jacobie -Dittrich und Helga Kelle in ihrem Text zur Geschichte der Pädagogik nach den Implikaten einer „weiblichen Pädagogik“. Erweitert wird dieser historische Beitrag von einem in der Rubrik Archiv abgedruckten Aufsatz aus dem Nachlaß der 1972 verstorbenen Professorin Elisabeth Blochmann. Birgit Volmerg beschäftigt sich in ihrem Beitrag unter dem Titel Die Macht der Technik und die Moral des Einzelnen mit „sozialpsychologischen Überlegungen und Forschungserfahrungen aus der Ingenieurwelt“.

Die politisch wie theoretisch anregenderen Texte finden sich jedoch in der Rubrik Diskussion. So hätte der Beitrag von Regina Othmer-Vetter, der sich um eine Vermittlung der im Umfeld des französischen Strukturalismus entwickelten Theorie der Weiblichkeit in die Sozialwissenschaften bemüht, konzeptionelle Anregungen für die Gestaltung des Schwerpunkts geben können. Denn die Texte beispielsweise von Julia Kristeva oder Luce Irigaray stellen die wohl avanciertesten Versuche dar, „Weibliches“ als Differenz zu denken, ohne es als mythischen, ideologischen Ort außerhalb der herrschenden Kultur zu konstruieren.

Theresa Wobbes Überlegungen zum institutionellen Kontext von Frauenforschung sollten vor allem im Hinblick auf die durch den Streik in Bewegung gekommenen Verhältnisse an den Hochschulen zur Pflichtlektüre nicht nur für Studentinnen werden. Einerseits habe trotz der Expansion der Universität seit den sechziger Jahren und trotz des Einbruchs der Frauenbewegung in die akademischen Institutionen keine nennenswerte Umverteilung zugunsten der Frauen stattgefunden. Andererseits sei die Frauenforschung zum „Ressort für Defizite“ geworden, womit festgeschrieben werde, daß Frauen für die Benachteiligung von Frauen zuständig sind. Dann stellt sie die beunruhigende Frage, in welcher Weise die Frauenforschung in diese Entwicklung, die das universitäre Terrain in einer spezifischen Weise für Frauen unzugänglicher gemacht hat, eingespannt ist oder schärfer formuliert, ob „der zeitgemäße Ausschluß von Frauen institutionell über das Ressort Frauenforschung funktioniert“. Als Illustration dazu läßt sich Ruth-Ellen Boetcher-Joeres Bericht über „neuere Trends im akademischen Feminismus in den USA“ lesen, der die problematischen Aspekte einer erfolgreichen Integration und Etablierung von Frauenforschung diskutiert.

In einem weiteren durch die politischen Entwicklungen der letzten Wochen noch brisanter gewordenen Beitrag geht Karin Windaus-Walser unter dem Titel Die Gnade der weiblichen Geburt der Frage nach dem „Umgang der Frauenforschung mit Nationalsozialismus und Antisemitismus“ nach. Leider aber bleibt sie hinter den politischen und theoretischen Implikationen dieser - wie sie formuliert - „zur Zeit größten Herausforderung für die feministische Theoriebildung“ zurück. Indem sie gegen die Freisprechung der Frauen als „Opfer“ einen spezifisch „weiblichen“ Nationalsozialismus und Antisemitismus setzt, schreibt sie weiter den Blick auf die Täterinnen und ihre Motive als Gegenstand einer Frauenforschung zum Nationalsozialismus fest.

Ergänzt wird das Heft von einer Reihe von Berichten über Tagungen und Konferenzen, diesmal unter anderem über eine Arbeitstagung zur Frauenforschung an der Universidad Autonoma Madrid und von einigen Rezensionen sowie durch die neue Idee eines Zeitschriftenüberblicks, den Carmen Tatschmurat mit einem Blick in italienische Frauenzeitschriften öffnet. Zu wünschen bleibt, daß die 'Studien‘, die sich völlig zurecht für einen „unverzichtbaren Bestandteil einer feministischen Gegenöffentlichkeit“ halten, uns erhalten bleiben und ihr Konzept der „Einmischung“ auch als Aufmischung der festgefahrenen Debatten in den „eigenen“ Reihen verstanden wird.

Birgit Bosold

Feministische Studien, hg. von Ute Gerhard, Juliane Jacobi -Dittrich, Claudia Opitz u.a., Deutscher Studien Verlag Weinheim, 22 DM