Frauenforschung: Zank um die Formen

■ Das jüngste Symposium zur Frauenforschung in Bonn machte politische Differenzen deutlich / Heftige Kontroverse um geplantes „Zentralinstitut“ / Kritikerinnen befürchten Hierarchisierung und Zentralisierung / Gerät die autonome Forschung ins Abseits?

Ursel Sieber

Annette Kuhn, Professorin für Frauengeschichte an der Universität Bonn, berichtet von einer Erfahrung, die sie immer wieder schmerzt: „Als Wissenschaftlerinnen haben wir Definitionsmacht“, sagt sie, „aber das steht in einem schmerzlichen, ja eklatanten Widerspruch zu unseren Handlungsmöglichkeiten an den Universitäten.“ Und die sind bekanntlich minimal, gerade in der Wissenschaft sind fast alle Frauen ja nur mit „Transitvisa“ zugelassen.

Erneut kamen Frauen zusammen - diesmal für drei Tage in Bonn -, um zu überlegen, wie die Frauenforschung aus der Bittstellerei herauskommen könnte. Allein die Häufung solcher Termine spricht ja manchmal Bände: Frauenforscherinnen und feministische Wissenschaftlerinnen beginnen für die Anerkennung und Finanzierung ihrer Arbeit zu kämpfen, zaghaft, aber immerhin. Daß dabei der Streit um die Wege nicht ausbleibt, versteht sich von selbst. Und so geschah es auch auf dem Bonner Symposium.

Annette Kuhn hatte das Symposium vorbereitet, zusammen mit ihren Kolleginnen der „Arbeitsgruppe Frauenforschung“ der Universität Bonn und der Dortmunder Soziologie-Professorin Sigrid Metz-Göckel. Diese Frauen wollten das Symposium mit einer ganz konkreten Initiative beenden: Mit einem Aufruf zur Gründung eines „Zentralinstituts für Frauenforschung und Frauenförderung“ in Bonn - als „Instrument zur Erneuerung von Wissenschaft und Kunst“.

Eine „Diskussionsvorlage“ hatten sie bereits ausgearbeitet, von der sie hofften, daß sie am Ende auch als Resolution verabschiedet würde. Wollten. Denn dazu kam es nicht. Der Vorschlag stieß auf herbe Kritik, und zwar nicht nur bei Studentinnen und autonomen Frauen aus dem Publikum. Ausgerechnet Carola von Braun, FDP-Politikerin und Frauenbeauftragte des abgewählten Berliner Senats, verteidigte engagiert alte Ansprüche der Frauenbewegung: Autonomie und Dezentralität. Ein repräsentatitiver Kongreß

Dabei hatte alles so nett angefangen. „Kunstwerke von großer Eindringlichkeit umgeben uns“, schwärmte eine der Veranstalterin, Marianne Krüll, bei der Eröffnung. Und: „Ist es nicht ein herrlicher Rahmen, in dem wir uns hier zusammengefunden haben?“ In der Tat: Der Bonner Kunstverein hatte den Frauen schöne Räume zur Verfügung gestellt. An den Wänden hingen Bilder von Künstlerinnen, die sich mit den Beziehungen zwischen Männern und Frauen befassten; mit Kampf und Gewalt, Trennung und Vereinigung. Eine Ausstellung, die auf dieses Symposium zugeschnitten war, und den Versuch darstellte, einen Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen herzustellen sowie das „innovative Potential“ feministischer Kunst hervorzuheben.

Doch in diesem schönen Ambiente war offenbar etwas enthalten, das gerade die jüngeren Teilnehmerinnen zum Widerspruch förmlich herausforderte. Das Symposium hatte mit den Veranstaltungen der autonomen Frauenbewegung fast nichts mehr gemein; und das merkte man nicht nur an der fehlenden Schlafplatzvermittlung, die von Studentinnen später eingeklagt wurde. Der Streit, der später um das „Zentralinstitut“ eskalierte, markierte auch einen kulturellen Bruch zwischen jenen Frauenforscherinnen, die sich ihren Platz innerhalb des wissenschaftlichen Establishments erobert haben, und jenen die von „außen“ Fragen stellen. Die „etablierten“ Frauen hatten die ganze Arbeit mit einem Male auf den Tisch gepackt, um damit den Anspruch auf ein Frauenforschungs-Institut zu untermauern. So besaß der Kongreß einen repräsenativen Charakter. „Wir wollten einen Reifegrad von Frauenforschung demonstrieren“, erläuterte die Dortmunder Professorin Sigrid Metz-Göckel. „Und das hängt zusammen mit dem wachsenden Stolz von Frauen, die von der Opferhaltung wegwollen.“ „Es gibt eine feministische Forschung von hohem künstlerischem und wissenschaftlichem Rang“, betonte Marianne Krüll in ihrer Eröffnungsrede. In der Tat: Daß Wissenschaft anders aussehen könnte, wenn sie nicht nur die Interessen und Sichtweisen von Männern widerspiegelte - das wurde zwei Tage geballt vorgeführt.

Die Veranstaltung begann mit Beiträgen zur feministischen Theologie, anschließend folgten blitzartige Ausflüge in die Erkenntisse feministischer Philosophie, Kunstwissenschaft, Geschichte, Soziologie, Literatur- und Filmwissenschaft. Die Zeit war selbst für solche Schnelldurchgänge viel zu knapp bemessen: Ein Referat jagte das andere, die Wissenschaftlerinnen redeten zu lange, und selbst für eine einzige Frage blieb keine Zeit. Vieles, was da zusammengetragen wurde, war so neu nicht, aber den Veranstalterinnen ging es ja um die Vermittlung des meistens nur in kleinen Frauenzirkeln angehäuften Wissens. Was bei diesem Durchmarsch allerdings völlig fehlte, das waren die Naturwissenschaften.

Zum repräsentativen Charakter des Kongresses gehörte auch, daß Rita Süssmuth mit einem Beitrag zum Verhältnis der Geschlechter feierlich eröffnete. Peinlich war, daß sich Frauenforscherin Annette Kuhn vor der Politikerin beinahe einen Kniefall machte, als sie der „lieben Frau Bundestagspräsidentin“ das Wort übergab. Und alle waren noch peinlicher berührt, als die Frauenforscherin mit dem Kompliment aufwartete, sie sei beeindruckt, daß Rita Süssmuth trotz ihrer schweren Aufgaben noch immer Frau geblieben sei. Mangelnde Transparenz

Es waren auch die Studentinnen, die am Nachmittag des zweiten Kongreßtages die Debatte über das „Zentralinstitut für Frauenforschung“ erzwangen. Viele fühlten sich als „Statistinnen“ mißbraucht, sicherlich auch deshalb, weil das Symposium keine Möglichkeit ließ, irgendetwas zu vertiefen. Andere fühlten sich einfach übergangen. Bis dahin hatte sich tatsächlich keine der Veranstalterinnen die Mühe gemacht, ihre Idee „Zentralinstitut“ ausführlich vorzustellen. Das Vorhaben sollte erst ganz zum Schluß diskutiert werden, als Krönung dessen, was die Frauen dargeboten hatten. Doch darüber gab es Ärger. „Unser Mißtrauen rührt daher, weil wir nur tröpfchenweise mitkriegen, was zehn Frauen geplant haben. Uns wird die Transparenz verwehrt“, schimpfte eine Teilnehmerin. Sigrid Metz-Göckel hatte nur an einer Stelle „lose Gespräche auf Bundes- und auf Länderebene“ erwähnt. Und darum beäugten viele etwas mißtrauisch einen braungebrannten Herrn mit lila Hemd, der als einsamer Zuhörer unter den 500 Frauen saß: Ein Beamter aus dem Bildungsministerium, der das Symposium ein bißchen ungelenk eröffnet hatte (das Bildungsministerium hatte das Symposium mitfinanziert) und sich nun die Ergebnisse der Frauenforschung vorführen ließ. Ein neuer Knoten im Netz oder...

Wie sah nun der Vorschlag der Bonner Uni-Frauen im Einzelnen aus? Und welche politischen Einwände wurden gegen diese Initiative vorgetragen? „Unser Grundgedanke war nicht, ein neues Dach über vorhandene Initiativen zu stülpen, sondern einen weiteren Knoten im Netzwerk von Frauenforschungseinrichtungen zu schaffen“, sagte Sigrid Metz-Göckel. Mit zehn Stellen und einer Grundausstattung von rund zwei Millionen Mark wollen die Frauen anfangen außerhalb der Universität, aber mit staatlichen Mitteln finanziert. Zum Selbstverständnis des Instituts boten die Bonner Frauen nur vage Formulierungen an. Das Institut soll „Ausdruck der Selbstdefinition feministischer Wissenschaft sein und auf die Hochschulen und andere Wissenschaftsinstitutionen ausstrahlen.“ Es sei einem Verständnis von Feminismus verpflichtet, das eine Vielzahl frauenzentrierter Zugänge in Wissenschaft und Kunst offenhalte. Gleichzeitig sei es als nationales Institut für Frauenforschung zu organisieren, das im Rahmen der EG-Länder seinen Stellenwert gewinnt, wenn in Brüssel ein EG-Institut zur Frauenforschung eingerichtet wird. Forschung, Wissenschaftspolitik und -vermittlung würden zu den Aufgaben gehören: Das neue Institut solle etwa „Sommerschulen“ durchführen, für die Weiterbildung von Frauen und Männern; die Umsetzung von Frauenforschung in die Lehre sowie deren Einbindung in Studien- und Prüfungsordnungen garantieren. Und in Kooperation mit den bestehenden Einrichtungen soll das Institut „lila Listen“ mit zu fördernden Frauenforschungsgruppen erstellen, um ihnen „eine Grundfinanzierung zu sichern“.

Zustimmung fand der Vorschlag bei Anke Brunn, der Wissenschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen. „Wir sind doch überall dabei, an den Hochschulen ein Netzwerk von Frauen zu schaffen“, sagte sie unter Buh-Rufen und lautem Gelächter aus dem Publikum, und warb dann für die Gründung dieses Instituts, mit denselben Worten, die auch die Veranstalterinnen immer benutzt hatten: „Warum nicht einen weiteren Knoten im Netzwerk schaffen?“ ...eine neue Stufe

in der Hierarchie?

Studentinnen hatten unterdessen ganz provokativ eine Arbeitsgruppe „Statistinnen“ ins Leben gerufen. Ihre Forderungen: Die Ziele dieses Bundesinitituts müßten klarer benannt, über das feministische Selbstverständnis diskutiert und der Geldzufluß transparent gemacht werden. Ihre Sorge war, daß „eine Elitetruppe von Feministinnen“ von oben „kontrollieren“ könnte, was in der autonomen Frauenbewegung passiert, wie eine Teilnehmerin sagte. Die 'Emma' -Journalistin Alice Schwarzer unterstützte die Bedenken der Studentinnen, fügte jedoch hinzu, daß sie eine Art „Clearing -Stelle“ in der Nähe der Bonner Parteien durchaus sinnvoll fände. Eine Art Lobby also, die die dezentralen Möglichkeiten feministischer Forschung eher steigern und für feministische Forschung durchlässig sein müsse. Alice Schwarzer: „Der Feminismus ist in den Institutionen verloren, wenn er sich außerhalb nicht gleichzeitig Räume, wo er analysieren und sich radikalisieren kann.“

Die prägnantesten Einwände formulierte jedoch Carola von Braun, FDP-Mitglied und Frauenbeauftragte des (abgewählten) Berliner Senats: Das Vorhaben sei „weder formal, noch wissenschaftlich, noch frauenpolitisch akzeptabel“, sagte sie. „Die Gefahr ist“, sagte Carola von Braun, „daß die Frauenforschungseinrichtungen, die sich alles mühsam erkämpft haben, in ihrer Vielfalt und Kompetenz zur Veränderung des etablierten Wissenschaftsbetriebes nicht erhalten bleiben.“ Sie hielt ein engagiertes Plädoyer für die „dezentrale Vernetzung auf allen Ebenen“ sowie für die „Einrichtung von regionalen und lokalen Frauenförderprogrammen“. Akzeptabel sei ein „Dachverband“ und eine Lobby in Bonn und Brüssel, um Mittel anzuwerben und um auf Gesetze Einfluß zu nehmen. Hierarchisierung und Zentralisierung dagegen zerstöre gewachsene Strukturen und das werde sie „unter allen Umständen bekämpfen“. Damit war sie für das Publikum der Star des Abends.