Klangsuche in verfremdentem Alltag

■ DACAPO präsentiert „Geigenrausch-spitzquiekig verkinkelt“ - die Duos Poetsch-Gabert und Schiemann-Wörmann: Musikalische Peep-Show und Experimente mit Stimmen und Schmirgelpapier / Objektinstallationen von Anne Schlöpke

Ungewohnten Klängen ein Forum zu verschaffen, ist eines der Ziele, die Veranstalter von DACAPO verfolgen. Auch in Bremen gibt es eine - viel zu kleine - Szene, die Wohlklang nicht unbedingt negiert, aber anderen Klängen ebenso Gehör verschaffen will. Hainer Wörmann: „Mich

hat das immer fasziniert, daß man bei Geräuschen nicht hinhören und weghören kann, wie man hinguckt oder wegguckt das Gehör nimmt immer alles auf. Man hört Musik, und gleichzeitig kommt die Müllabfuhr. Das ergibt neue Kombinationen, wenn man die Müllabfuhr nicht verdrängt, son

dern versucht mitzuhören.“

Am Freitag abend hatten zwei Duo-Formationen in den Weserterrassen Gelegenheit, ihre musikalischen Vorstellungen vorzustellen: die Duos Poetsch-Gabert und Schiemann-Wörmann auf der Klangsuche in einer verfremdeten Alltagswelt.

Gerade 40 BesucherInnen bewegten sich irritiert -interessiert durch die Objektinstallationen von Anne Schlöpke, die den Rahmen für das Dacapo-Projekt „Geigenrausch-spitzquiekig verkinkelt“ bildeten. Im Zentrum des Raumes, leicht erhöht, ein Karree von eng aneinander stehenden Stuhlreihen, die durch Baustellenaccessoires dem Zutritt Hürden entgegensetzen. Drumherum verfremdete Alltagsgerätschaften: eine Alu-Spüle mit (Ton-) Bandsalat und Kopfhörer, ein zerschlissenes Bügelbrett mit An

tenne, ein Tonbandgerät, dessen Band in einen Eimer läuft und läuft und läuft. Videoinstallationen, ausgenommene Radios.

In dieser Landschaft von Klang- und Tonwiedergabe-Fetischen begaben sich zunächst Stefan Poetsch und Thomas Gabert an Drums und Percussion auf Klangsuche. Poetsch bewegte sich mit seinem Instrument zwischen elektronischen Effekten und klassischen bzw. pseudoklassischen Melodiebögen, die von Gabert mit wechselnden Rhythmen und metrischen Figuren begleitet wurden. Die Spielweise von Stefan Poetsch ist dominiert von melancholischen, getragenen Linien, die manchmal in kurze minimalistische Figuren münden und sich eng mit den Polyrhythmen Gaberts verbanden. So entstand ein dichtes Melodie-Rhythmus-Geflecht, dem es manchmal

allerdings an Spannung und Verve fehlte; in einigen Momenten schlug die kammermusikalische Schönheit in Belanglosigkeit um. Meist wurde dies aber durch die Differenziertheit der Rhythmen überspielt, wozu insbesondere der effektvolle Einsatz der E-Drums beitrug, auf denen Gabert zuweilen gamelan-ähnliche Klänge herbeizauberte.

Schiemann/Wörmann's

Peepshow

Einen völlig anderen Ansatz pflegte das Bremer Duo Schiemann/Wörmann mit Schlagzeug und Percus -Keyboard/Gitarre, Pseudogeige und Tapes. Den Beginn ihres Auftritts gestalteten sie als Musik-„Peep-Show“: Sie spielten hinter einem schwarzen Lack-Vorhang. Gegen einen geringen Obulus einer BesucherIn lüftete sich der Vorhang und gab

einen kurzen Blick auf den gewünschten Musiker frei. Schließlich blieb der Vorhang offen - die „Gruppe Rauschen“, wie Schiemann/Wörmann ihr Projekt nennen, entwickelte eine Klang-Geräusch-Collage aus Schlagzeug-Rhythmen, Radio -Fernseh-Stimmpartikeln, den verfremdeten eigenen Stimmen, Wah-Wah-Effekten und diversen Gitarren-Tönen bzw. Geräuschen. Zwischendrin griff Wörmann sich eine Pseudo -Geige, ein präpariertes Vierkant-Holz mit Saiten. Sogar mit Schmirgelpapier und Bürste trug das verstärkte Holzstück zum Rausch-Klang bei. Seine Gitarre traktierte Wörmann anschließend nicht weniger respektlos, sie wurde mit Wäscheklammern und Plastik-Folie malträtiert. Währenddessen wirbelte Schiemann auf seinem Drumset. Resultat war ein Gebräu von Tönen, Klängen und Geräuschen. Mir scheint der radikale Improvisationsansatz so individuell, daß es eher zufällig ist, ob der Funke überspringt. Den leider zu wenigen BesucherInnen gefielen beide Sets ganz offensichtlich gut.

Arnaud