Platz für Tiefflieger

■ Volle friesische Kneipen durch trinkfeste Landesverteidiger / Zweite Tornadostaffel ab Ende '89 in Upjever geplant / Tiefflieger machen Platz für Tiefflieger

Die Nato-Streitkräfte hätten seit Jahresbeginn rund 1.000 Tiefflugstunden von der BRD nach Belgien verlagert, behauptete Bundes-Verteidigungsminister Rupert Scholz im Januar. Dumm nur, daß die Belgier darüber nicht informiert waren. Die Zusage der Übernahme stammte nämlich noch von der alten - konservativen - Regierung.

Seit 1979 war das 'Tactical Leadership Programme‘ (TLP) auf dem friesländischen Fliegerhorst Upjever angesiedelt. Achtmal im Jahr übten Piloten aus den USA, der BRD, Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Kanada, gemischte Verbände zu führen und effektiv einzusetzen. Für die AnwohnerInnen bedeutete dies 3.000 Starts und Landungen, für die übrigen Norddeutschen rund 1.000 Tiefflugstunden der Nato-Schüler

jährlich. Bis Ende 1988 waren in Jever mehr als 1.600 Besatzungen ausgebildet worden. Mit den jeweils rund 300 Technikern garantierten die Lehrgänge dem Städtchen volle Gaststätten und Diskotheken. Einen „wesentlichen Wirtschaftsfaktor“ sah denn auch Jonny Harms, Vorsitzender des Jeverschen Gewerbeausschusses, in den trinkfesten Ladesverteidigern.

Statt der ungeliebten Nato-Piloten, die manchmal nicht nur laut waren, sondern es auch mit den Flugvorschriften nicht so ganz genau nahmen, sollen ab Ende 1989 die Soldaten einer zweiten Tornado-Staffel mit Kind und Kegel zusätzliche Kaufkraftimpulse für die Geschäftswelt bringen. Zu den vorhandenen 24 Jets des Jagdbombergeschwaders 38 kommen 16 oder 17 Tornados der neuen ECR-Variante. Verbunden ist das

mit einer Personalaufstockung von jetzt 1.300 Soldaten und zivilen MitarbeiterInnen auf dann rund 1.800 Beschäftigte. Der Rat der Stadt Jever hat die Planungen für neue Baugebiete bereits auf den Weg gebracht.

An eine Ausweitung des Flugbetriebes ist nach Angaben der Militärs nicht gedacht. Seit mehreren Jahren gilt eine freiwillige Vereinbarung zwischen der Anrainergemeinde Schortens und dem Fliegerhorst, wonach nicht mehr als 9.750 Einsätze im Jahr geflogen werden sollen. Insofern war auch seit mehr als zwei Jahren das bekannt, was Rupert Scholz den besorgten BundesbürgerInnen als ersten Erfolg seiner Tiefflug-Reduzierung präsentieren wollte: die Verlagerung des TLP. Mit dem Abzug der Luftwaffenschulung wird lediglich Platz gemacht für den Übungsbe

trieb der neuen ECR-Tornados - die natürlich auch tieffliegen.

Zwar hat sich die neue belgische Regierung im Februar bereit erklärt, die Zusage ihrer konservativen Vorgängerin einzulösen und die rund 3.000 Übungseinsätze in das südlich von Brüssel gelegene Florennes zu verlegen. Jedoch werden künftig in Belgien nur 350 der rund 1.000 anfallenden Tiefflugstunden absolviert. Der Rest der Flüge, so der belgische Verteidigungsminister Guy Coeme, verteile sich auf Frankreich, Großbritannien, die Niederlande - und die BRD. Möglicherweise wird mit den neuen ECR-Tornados und dem TLP -Restanteil das Tiefflugaufkommen über dem Bundesgebiet, das doch gerade reduziert werden sollte, noch einmal erhöht. Nachprüfen läßt sich das ohnehin nicht. Michel Golibrzuc