Illegale Leiharbeit auf Staatswerften

■ Erst Stellenabbau, jetzt mehr Leiharbeit im Werftenverbund / Betriebsräte ermittelten illegale Praktiken bei Arbeiterverleihern / Leiharbeit mit Werkverträgen getarnt / Vergebliche Beschwerde bei den Behörden

Als Leiharbeiter „Ali“ brachte Günther Wallraff das Thema vor drei Jahren in die Schlagzeilen. Seitdem ist es wieder still darum geworden. Ausgerechnet in den Betrieben des Bremer Werftenverbundes, die unter der Regie des Senats stehen, wird das illegale Verleihen von Menschen jetzt wieder aktuell. Der Betriebsrat des Bremer Vulkan hat sich vor rund fünf Wochen bei der Gewerbepolizei und beim Arbeitsamt über den Menschenhandel auf der Werft beschwert. Bisher ohne Erfolg.

Im vergangenen Jahr sind mehr

als 600 Werftarbeiter auf Staatskosten in vorgezogene Rente geschickt worden. Die Lücken, die durch ihren Weggang entstanden, füllen die Betriebe mit Leiharbeitern, die von mehreren „Sklavenhändlern“ angeboten werden. Was die Werftbetriebsräte dabei besonders fuchst: Die Leiharbeiter werden nicht offiziell ausgeliehen. Dann nämlich könnten die Werftbetriebsräte zum Beispiel Arbeitszeit und Gesundheitsschutz bei den Leiharbeitern kontrollieren, so als ob diese zur Stammbelegschaft gehören würden. Auch der Arbeitsvertrag

zwischen dem „Sklavenhändler“ und dem Arbeiter müßte ihm vorgelegt werden.

Um all das zu vermeiden, schließt der Vulkan-Vorstand mit den Arbeiterverleihern „Werkverträge“ ab. Die Verleihfirma tut so, als ob sie mit ihren Leuten selbstständig einen Auftrag der Werft ausführen würde. Da hat der Betriebsrat der Werft sich in die Arbeitsbedinugnen bei dem scheinbaren - Subunternehmer nicht einzumischen. Tatsächlich sind die Leiharbeiter in die Kolonnen der Werftarbeiter eingegliedert und den gleichen Vorge

setzten unterstellt. Das bestätigten Schiffbauer von mehreren Werften der taz. Oft benutzen die Leiharbeiter sogar die gleichen Stempeluhren und stecken ihre Karten in die gleichen Fächer wie ihre Kollegen von der Stammbelegschaft. So war es für die Betriebsräte leicht, über Wochen hinweg zu kontrollieren, wieviel Leiharbeit im Betrieb verrichtet wurde: Etwa 20 Prozent der Arbeitsstunden entfielen seit Anfang des Jahres auf ausgeliehene Arbeiter.

Die Slavenhändler haben allen Grund, sich nicht in die Karten gucken zu lassen, meinen die Betriebsräte. So dürfe das Arbeitsverhältnis zwischen einer Verleihfirma und ihren Arbeitern in der Regel nicht befristet sein. Die auf den Werften tätigen „Sklavenhändler“ würden ihre Leute aber meistens befristet einstellen, erfuhr die taz von der Bremerhavener Seebeckwerft. Schlimmer noch: In den Arbeitsvertrag werde häufig keine bestimmte Frist eingetragen, sondern allenfalls der Name des Schiffes, auf dem der frisch Angeheuerte tätig sein soll. Wenn das Schiff fertig ist, kann er wieder gehen. Häufig fehlt auch das. Die Zeile, in der des Ende des befristeten Vertrages vermerkt werden soll, bleibt frei und wird bei Bedarf vom „Sklavenhändler“ ausgefüllt, von heute auf morgen.

Ein arbeitsrechtliches Novum aber ist die Beschäftigung von „Selbstständigen“ durch die Verleihfirmen: Die Leiharbeiter verleihen sich selbst an den „Skla

venhändler“ und bekommen dafür folglich keinen Lohn, sondern eine Leihgebühr. Für Kranken- und Rentenversicherung ist der Unternehmer nicht mehr zuständig, die muß der Arbeiter selbst abführen, wenn er sich das von seiner Leihgebühr erlauben kann.

Von all diesen Mißständen hat der Betriebsrat der Bremer Vulkan-Werft schon vor Weihnachten den Vorstand schriftlich unterrichtet. Geändert hat sich nichts. Die Stimmung zwischen den Stammbelegschaften und den Leiharbeitern soll häufig gereizt sein. Mitunter käme es zu Feindseligkeiten, die sich daran entzünden, daß die Leiharbeiter oft ohne eigenes Werkzeug, ohne Arbeitsschutzmittel in die Kolonnen kommen, die Ausrüstung der Stammbelegschaft mit benutzen und so deren Akkorde verderben. Sogar das Vorstandsmitglied der Seebeck-Werft, Weiker, hat bei der letzten Aufsichtsratssitzung den wirtschaftlichen Sinn des Leiharbeitereinsatzes in Frage gestellt.

Der Vulkan-Betriebsrat hat sich schon im Januar schriftlich an das Gewerbeaufsichtsamt und das Arbeitsamt gewandt. Eine Antwort der Behörden liegt ihm noch nicht vor. Kontrollen, die die Gewerbepolizei und die Arbeitsbehörde den Betriebsräten versprochen hatten, lassen bis heute auf sich warten. Mit einer kleinen Anfrage in der Bürgerschaft setzen die Grünen in dieser Woche nach. Antworten wird dann der Arbeitssenator Klaus Wedemeier.

mw