Tote Augen

■ „Herbert Achternbusch. Der Maler“ im Kunstmuseum Düsseldorf

Falls die Bilder vom Achternbusch schlecht sind, hatte ich mich vorab getröstet, gibt es schließlich noch die Texte und die Filme, den höllischen „Gust“, zum Beispiel, oder das himmlische „Gespenst“. Aber so funktioniert es nicht. Schlechte Bilder drücken mich nieder. Der hat den Spaß gehabt; und ich muß, statt in der Februarsonne am Rhein spazierenzugehen, in einer trübe beleuchteten Halle des Düsseldorfer Museumskomplexes „Ehrenhof“ herausfinden, warum sein Spaß nicht auch meiner ist.

Mit der Präsentation fängt es manchmal an (die Entdeckung, die Kritik); hier, in der Retro „Herbert Achternbusch. Der Maler“, ist es damit schon vorbei. Alle Bilder, ob auf Holz (wenige) oder Papier (alle anderen), hängen unter Glas oder Plexiglas, unter Rahmen ohne Passepartouts, zu starren Gruppen, oft symmetrisch, angeordnet. Wie die toten Augen von Wesen der dritten Art starren sie einen an. Die Eigenbewegung des Betrachters produziert nicht Entdeckungen, neue Konstellationen - sondern Reflexe. Achternbusch, heißt es in der Museumsverwaltung, läßt die Arbeiten so liefern.

Was man dennoch mit einiger Mühe sehen oder sich durch Standortwechsel zusammenraten kann, sind die Motive der vielleicht 150 oder 200 meist figürlichen Aquarellbilder. Dominierend sind kräftige, unkompliziert angemischte Farben: gelb und grün, blau und rot. Auffallend ist, daß der Maler Achternbusch nicht aufgibt, bis das Blatt gänzlich zugemalt ist, als habe er Angst vor dem Weißen. Figuren und Grimassen werden eingebettet in Ornamente, ohne Perspektive oder Flucht.

Daß Achternbusch sich, obwohl er mit Anfang Zwanzig auf der Kunstakademie war, als Dilettant präsentieren würde, hatte ich erwartet. Denn den bayrischen Trottel zu spielen, ist seine Leidenschaft. Dabei vergißt man leicht, wie kunstvoll (zumindest einige) Texte und Filme gebaut sind. Manche halten ihn für den Begriffsstutzigen, den er spielt; andere sehen hinter der Maske das Genie. Achternbusch ist eine erfolgreiche Randfigur des Kulturbetriebs, dessen Werk von der Person kaum zu lösen ist, wie vielleicht bei Frank Zappa oder Thomas Bernhard. Kulisse und Bühne sind nicht identisch, aber austauschbar. Das verstärkt die Wirkung des Spiels. Seine Naivität ist immer „echt“ und wird doch in den Texten und Filmen in immer neuen Versionen wieder hergestellt; man glaubt sie, weil sie dann „natürlich“ erscheint.

Auch die Bilder sind naiv, aber sie haben weder das Rührende noch das Aggressive an sich, das man von Achternbusch kennt. Von den Texten kann man sagen, daß sie sich vor dem Horizont der Literatur widerborstig verhalten: das markiert ihre Stärke und ihre Position. Sie haben eine unverkennbare Handschrift: „Stil“.

Das haben die Bilder nicht. Der Maler Achternbusch verhält sich zur Malerei (und ihren avancierten Kenntnissen von Flächen zu Formen zu Farben) tatsächlich naiv. Hier wird ein bißchen Penck angezapft, dort Janosch, Lüpertz oder Klee. Noch nicht einmal: plagiiert. Dazu fehlt Achternbusch der Ehrgeiz.

Achternbusch unterschätzt den Formzwang des Mediums, den auch der Dilettant erfassen muß, wenn er ihn unterlaufen will. Zum Beispiel übermalt er Zeitungsseiten, wobei ganze Titelzeilen und Autorennamen lesbar bleiben. So bleibt das Blatt die Seite aus der 'FR‘ oder der 'Zeit‘ - sie wird nicht zum Bild. Der Maler unterschätzt bei weitem die Macht der Typographie, ihre emotionale Wucht. Vernarrt in seine Themen - Natur, Sex, Tod und wörtlich genommene Sprache wählt er durchweg Formate, die ihn überfordern. Riesige Lappen, durchgemustert, mausetot; wie gesagt, bis zur Unzulänglichkeit verglast, als seien sie gemacht für die Ewigkeit.

Im Katalog und in seinen Büchern (in die Achternbusch seine Bilder nun fortlaufend integriert), gibt es natürlich nicht die Reflexe, und sowohl Farben wie auch die Position in der Fläche gewinnen an Intensität. Dies ist aber kein malerisches Phänomen, sondern ein fotografisches.

Daß ein Schriftsteller mit seinen Bildern die Qualität seiner Texte nicht erreicht (wie etwa Peter Weiß), ist kein Grund zur Klage. An viele Künstler erinnern wir uns nur durch einen Bruchteil ihres Lebenswerks (an Raoul Hausmann nicht als Tänzer, sondern als Fotograf). Wenn ein Künstler jedoch nicht merkt, wie ein Teil seines Gesamtkunstwerks die Kraft seines Unternehmens aushöhlt, ist er schlecht beraten. Vom Kunstbetrieb ohnehin, denn dessen Kapazitäten übersteigen bei weitem das qualifizierte Angebot. Schlecht beraten vielmehr von Freunden, die als beste Kritiker man sich bewahren sollte.

Ulf Erdmann Ziegler

Herbert Achternbusch. Der Maler. Kunstmuseum Düsseldorf, bis zum 5.März 1989. April/Mai in Wien, Mai/Juni in Hamburg