Von Zauber und Gegenzauber

Bayern München - Karlsruher SC 3:2 / Des Trainers Ausflug auf die Tribüne nutzte dem KSC diesmal nichts  ■  Aus München Werner Steigemann

Obschon es nicht stimmt, daß es keine Torheiten gibt und daß die Psychiater sie bloß erfunden haben, um ihre Patienten zu schikanieren und zu schröpfen, ist es dennoch wahr, daß „normale“ Menschen viel verrücktere Dinge vollbringen als die „Verrückten“. Der Unterschied besteht darin, daß letztere es uneigennützig tun, der Normale hingegen um des Erfolges willen. Winfried Schäfer zum Beispiel, seines Zeichens Trainer des KSC, verbannte sich am vergangenen Samstag selbst auf die Tribüne, um dort auf den Sitzschalen herumzuhampeln. Dorthin mußte er vor einer Woche beim Pokalspiel gegen die Bayern unfreiwilligermaßen im Auftrage des Schiedsrichters, und seine Spieler gewannen im Olympiastadion.

Tatsache ist, der KSC erzielte diesmal nach Schäfers Platzwechsel unverhofft den Ausgleich, und irrationale Handlungen werden ohnehin auf jedem Fußballfeld durchgeführt, jede Woche, in jeder Saison. Dies bedeutet nicht, daß es eine übernatürliche oder mystische Verbindung zwischen solchen Ritualen und dem Ausgang eines Spieles gibt. Das ist auch gar nicht notwendig, wichtig allein ist der Glaube der Beteiligten an diesen Zusammenhang. Der ist dem Schäfer wohl nun abhanden gekommen, denn den Bayern gelang trotzdem der Siegestreffer, der zur allgemeinen Langeweile in der Bundesliga führen könnte.

Langatmig auch präsentierte sich der Fußballwettkampf zwischen dem KSC und den Bayern, zumindest bis zur 70.Minute. Die Karlsruher standen dichtgedrängt an ihrem eigenen Strafraum, und die Münchner meist einfallslos davor. Wäre da nicht ein Olaf Thon in ihren Reihen, der zusammen mit Kögl als bissiges „Zwergerl-Duo“ ab und an die Reihen der Karlsruher als nicht vorhanden erklärte... Das 1:0 der Bayern wurzelte im technischen Vermögen von Thon, der seine Gegenspieler narrte und Wegmann zum Schlangenbiß verhalf. Beim zweiten Treffer durfte Kögl mithelfen, indem er zwei Karlsruher umspielte und die Lederkugel klugerweise an Thon abtrat. Der kann sie im Gegensatz zu Kögl auch mal mit etwas mehr Tempo in Richtung Tor befördern, was den ansonsten hervorragenden Karlsruher Schlußmann Famulla veranlaßte, den Ball vor die Füße von Wohlfarth abzuklatschen.

Für weitere Abwechslung sorgte wieder einmal Hansi Pflügler, als er vor aller Augen seinen Gegenspieler Glesius ins Krankenhaus schickte. Schäfer, der da noch dicht dabeistand, sprach den Münchner von jeder Schuld frei. So wird's wohl auch gewesen sein, doch der Hansi irrte seit diesem Zeitpunkt schlechten Gewissens über das Grün und vergaß dabei das Fußballspielen. Nach dem Seitenwechsel plätscherte das Gekicke weiter dahin, abgesehen von der Tatsache, daß dem Kögl eines seiner wenigen Tore durch die vom Schiedsrichter ignorierte Hand eines Verteidigers versagt blieb, was Kögl zu rumpelstilzchenartigen Aufführungen zwang.

Immerhin wurde das Spiel jetzt ansehnlicher. Der Karlsruher Trapp, schon vorher einer der Besten, schlenzte den Ball bei einem Freistoß über dreißig Meter hinweg an dem verdutzten Aumann vorbei ins Münchner Tornetz, kurz nachdem Schäfer die Tribüne erklommen hatte. Ehe er richtig heimisch werden konnte, durfte Pilipovic ungehindert flanken - Aumann träumte immer noch - und Hermann in der 72.Minute den Ausgleich erzielen. Schäfer, auf dem Sprung zum Jubel an den Spielfeldrand, erstarrte in seiner Aktion, als er sehen mußte, wie seine Mannen nach einer Ecke von Kögl den Ball nicht aus dem Strafraum beförderten und Wohlfarth die erneute Münchner Führung produzierte. Wahrscheinlich hatte Heynckes seinen Talisman zum Gegenzauber aufgefordert.

Die Auseinandersetzung gewann ob dieser Ereignisse an Spannung. Die Karlsruher versuchten mit Mann und Maus, den Einstand zu erkämpfen, und die Münchner, mit gelegentlichen Kontern Ruhe in ihre Reihen einkehren zu lassen. Dies schaffte erst der hervorragende Schiedsrichter Assenmacher mit dem Abpfiff der Partie, derweil sich die KSC-Fans mit der Ankündigung einer Reise nach Berlin, wo das Pokalendspiel winkt, trösteten.

MÜNCHEN: Aumann - Augenthaler - Nachtweih, Johnsen, Pflügler - Flick (74.Ekström), Thon, Grahammer, Kögl Wohlfarth, Wegmann

KARLSRUHE: Famulla - Bogdan - Metz, Kreuzer, Trapp - Süss, Harforth, Schmidt, Hermann - Simmes (37. Glesius/44. Kastner), Pilipovic