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Männerquoten und Benda-Schwänzchen

■ In die Quoten-Diskussion ist Bewegung gekommen / Heilige Kuh Leistungsprinzip und „gleiche Qualifikation“ / Männerquoten gibt's zuhauf

Claudia Pinl

Quotierung als rechtlich verbindliche Bevorzugung von Frauen in Parteiämtern und Erwerbsarbeit? Die Herren Verfassungsrechtler fielen da noch vor kurzem reihenweise in Ohnmacht. Von „grundsätzlich unzulässig“ (Professor Hanau) bis „Gefahr für das verfassungsrechtlich geschützte Institut Ehe und Familie“ (Professor Schmitt-Glaeser) reichten die Urteile. Bei der Ablehnung einer verpflichtenden Quote zugungsten von Frauen verschanzte man sich vorzugsweise hinter dem Artikel 3 des Grundgesetzes, dessen Gleichberechtigungsgrundsatz nun für die gefährdeten Männer reklamiert wurde. Aber auch auf den Artikel 33, der den Zugang zum öffentlichen Dienst von den Kriterien Eignung, Qualifikation und Leistung abhängig macht, wurde mahnend verwiesen.

Übersehen wurde dabei freilich, daß das bundesrepublikanische Recht von Quotierungsvorschriften nur so strotzt - zugunsten von Männern. Ich meine nicht die stillschweigend und augenzwinkernd, gleichsam natürlich betriebene Bevorzugung von Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen, sondern ihre bewußte Förderung durch Gesetze und Verordnungen, nach deren Verfassungsmäßigkeit bisher kein Hahn krähte.

Da ist zum Beispiel das Soldatenversorgungsgesetz. Danach sind ehemalige Zeitsoldaten der Bundeswehr bevorzugt in den öffentlichen Dienst aufzunehmen. In den Vorbereitungsdiensten von Bund, Ländern und Gemeinden müssen ihnen nach den Paragraphen 10 und 11 dieses Gesetzes Plätze freigehalten werden. Auch jede zehnte freie Angestellten -Stelle im gehobenen Dienst ist für sie zu reservieren Eignung hin, Leistung her. Die Beamtengesetze der Länder haben entsprechende Klauseln, um dies umzusetzen. Reichlich männliche Quotisten

„Es ist nicht gut, wenn man Quotistinnen einstellt“, wird der Hauptamtsleiter der Stadt Bergisch-Gladbach, Ewald Schekerka, in einer Bonner Tageszeitung zitiert. Herrn Schekerka kommt es nicht in den Sinn, daß der gehobene und höhere Dienst von Bund, Ländern und Gemeinden reichlich aus männlichen Quotisten besteht. Für ehemalige Soldaten gibt es gleich mehrere Methoden, zum Quotenmann zu werden. Sie können sich zum Beispiel an den renommierten juristischen Fakultäten der Universitäten Heidelberg oder Freiburg einschreiben. „Haben Sie gedient?“, werden dort seit kurzem die hoffnungsvollen Erstsemester gefragt. Wenn nicht, gibt's keinen Studienplatz.

Seit Jura aus der Zentralen Studienplatzvergabe herausgefallen ist, suchen sich die Unis ihre StudentInnen für die knappen Plätze selber aus. Dabei sind sie an Landesgesetze gebunden, die ihnen auferlegen, solche Menschen zu bevorzugen, die Wehr-, Zivildienst oder das „Freiwillige Soziale Jahr“ absolviert haben - da müssen die meisten Frauen passen. So gab es zu Beginn des Wintersemesters unter den 320 neuzugelassenen Jura -Studierenden der Uni Heidelberg nur fünf Frauen. Inzwischen ist der Frauenanteil durch Nachrückverfahren auf 28 Prozent gestiegen - aber über 50 Prozent Frauen hatten sich beworben. Ganz desolat sieht es aus demselben Grund am Fachbereich Elektrotechnik der TH Darmstadt aus: Unter 405 Erstsemestern gibt es neun Frauen, wie der deutsche Ingenieurinnen-Bund meldet.

Heiliges Leistungsprinzip

Während sich dank praktizierter Männerquoten die Situation für Frauen in einigen Bereichen objektiv verschlechtert, ist die verfassungspolitische Diskussion um Frauenquoten in Bewegung gekommen. Professor Ernst Benda hat festgestellt, daß der Staat nicht nur „befugt“, sondern sogar „verpflichtet“ ist, Gleichberechtigungsdefizite durch gezielte Frauenfördermaßnahmen auszugleichen - im öffentlichen Dienst notfalls durch Quotierungsvorschriften. Benda denkt da beispielsweise an eine Quote in Höhe des Anteils der Bewerberinnen. Nie und nimmer aber dürfe dieses, so der ehemalige Bundesverfassungsrichter und CDU-Politiker, das Leistungsprinzip außer acht lassen. Auch müsse dafür gesorgt sein, daß „unter Umständen höhergewichtige Gesichtspunkte die Chance haben, sich auch gegenüber Frauenförderungsgesichtspunkten durchzusetzen“. Das erfordere die „Einzelfallgerechtigkeit“, sagt Benda und beschwört Quotenregelungen, „die nicht starr sind, sondern Entscheidungs- und Ermessensspielraum belassen“.

Intensiviert hat sich die Quotendiskussion, seit die SPD mit viel öffentlichem Wirbel ihren Frauen die 40prozentige Gleichberechtigung bis zum Jahr 1998 versprochen hat. Quoten - die zarteste Versuchung seit August Bebel, könnte frau meinen. Selbst Rita Süssmuth von der CDU kann nicht mehr widerstehen. Der Frauenzeitschrift 'Brigitte‘ gestand die Ex -Ministerin: „Wir brauchen Quoten, allein schon als Druckmittel.“ Die Grünen haben jetzt wieder ihren Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes in den Bundestag eingebracht. Er sieht eine rechtsverbindliche 50-Prozent -Mindestquote vor, und zwar für alle Erwerbsarbeits- und Ausbildungsplätze.

Als erste Landesregierung hat Nordrhein-Westfalen einen Gesetzentwurf „Zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen im öffentlichen Dienst“ des Landes vorgelegt. Demnach will die Regierung in Düsseldorf Frauen solange bevorzugt einstellen, bis ihr Anteil auf allen Ebenen dem der Männer entspricht. Eine 50-Prozent-Quote also. Aber nicht zu früh gefreut, Schwestern zwischen Rhein und Weser! Die Bevorzugungsautomatik setzt nur bei „gleicher“ Qualifikation ein. Und welche zwei KandidatInnen haben schon je die genau gleiche Qualifikation?

Damit nicht genug: Rau und seine Mannen halten am Benda -Schwänzchen, der „Einzelfallgerechtigkeit“, fest. Frauen sind nämlich nur zu bevorzugen, „sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen“. Was das heißt, hat Innenminister Schnoor bei der Ersten Lesung des Entwurfs am 26.Januar im Düsseldorfer Landtag erläutert: Kriterien wie Dienst- und Lebensalter, Familienstand und „soziale Gründe“ könnten den Ausschlag dafür geben, daß einem gleichqualifizierten Bewerber doch der Vorzug gegeben wird!

Auf das „Benda-Schwänzchen“ dankenswerterweise verzichtet hat die Bundestagsfraktion in ihrem Entwurf eines „Gleichstellungsgesetzes“. Oder doch nicht ganz. In der Begründung scheint es noch mal auf: „Ausnahmen von der leistungsbezogenen Bevorzugung sind zulässig, sofern Umstände in der Person des Mitbewerbers vorliegen, deren Berücksichtigung durch die Verfassung geboten ist. In Betracht kommt beispielsweise Schwerbehinderung.“ Ansonsten sollen Frauen überall dort im öffentlichen Dienst des Bundes, wo sie unterrepräsentiert sind, bevorzugt „berücksichtigt“ werden. Aber alles nur unter der strengen Herrschaft des Leistungsprinzips. Frauen müssen schon im Vergleich zur männlichen Konkurrenz „gleichwertig“ sein. Und auch dann sind sie nur „bevorzugt zu berücksichtigen“, während es im ursprünglichen Entwurf vom Frühjahr 1988 für die Neuzugänge noch hieß, sie seien „bevorzugt einzustellen“. Hintertürchen

Alles in allem muß es Herrn Schekerka und Kollegen nicht allzu bänglich zumute sein: In den sozialdemokratischen Entwürfen gibt es genug Hintertürchen, durch die auch in Zukunft Männer recht zahlreich schlüpfen können. Demgegenüber steht im grünen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz: Wenn in einem Bereich Frauen zu weniger als 50 Prozent vertreten sind, haben sie einen Rechtsanspruch auf Einstellung, Beförderung und Weiterbildung, solange, bis Parität erreicht ist. Ausschlaggebend ist allein die formale Qualifikation, also der entsprechende Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildungsabschluß. Diese von den Grünen vorgeschlagene Quote nach Mindestvoraussetzungen umgeht das hochgespielte Argument der Qualifikation, das erst so richtig gewichtig ist, seit Männer nicht mehr ganz unhinterfragt auf die Posten kommen.

Die Quotenregelungen im Grünen-Entwurf beschränken sich nicht auf den öffentlichen Dienst. Das ADG hält es vielmehr mit der Einsicht der sozialdemokratischen Juristin Heide Pfarr, die in einem Gutachten für die IG Metall dargelegt hat, daß der Gleichberechtigungsgrundsatz der Verfassung nicht vor den Unternehmen der Privatwirtschaft haltmachen kann. Unternehmen, die gegen die Quotierungsregelung verstoßen, drohen laut grünem Entwurf empfindliche Bußen. Aber auch der öffentliche Arbeitgeber käme bei Verstößen nicht ungeschoren davon: Das Recht auf Bevorzugung soll gerichtlich einklagbar sein. Demgegenüber verzichten die SPD -Entwürfe auf Sanktionen. Wie übrigens auch ein Quotierungsgesetzentwurf, den die Grünen in der Bremer Bürgerschaft in Auftrag gaben. Im kleinsten Bundesland wollen die Grünen anscheinend den Bock zum Gärtner machen: Wieweit das Tor des Bremer Landesdienstes für Frauen aufgemacht wird, dürfen die Dienststellenleiter selbst entscheiden; in trauter Zusammenarbeit mit dem Personalrat legen sie die für ihren Bereich gültige Quote fest. Heiliger Benda!

Claudia Pinl ist Mitarbeiterin beim AKG Frauenpolitik bei den Grünen im Bundestag.

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