Militärs als Friedensapostel im Sudan

Sudanesische Regierung beugt sich Ultimatum des Militärs / Regierungschef El Mahdi zur Bildung einer neuen Regierungskoalition bereit / Streitkräfte fordern Frieden mit den Rebellen / Der Hungertod der Zivilbevölkerung wird zur „entscheidenden Waffe“  ■  Von Christa Wichterich

Khartum (taz) - Die sudanesische Regierung hat sich dem Druck der Streitkräfte gebeugt und Ministerpräsident Sadel el Mahdi beauftragt, ein neues Koalitionskabinett auf breiter Basis zu bilden. Dies wurde auf einer Sondersitzung des Kabinetts am Samstag beschlossen. Am Montag will El Mahdi eine Regierungserklärung vor dem Parlament abgeben.

Das Offizierskorps hatte den Ministerpräsidenten am vergangenen Montag ultimativ aufgefordert, entweder seine Regierung umzubilden und Frieden mit den im Süden des Landes kämpfenden Rebellen zu suchen oder seinen Rücktritt zu erklären. Offenbar wollen die Militärs Klarheit: entweder Intensivierung des Kriegs oder ernsthafte Friedensverhandlungen.

Daß es in der Armee brodelt, verwundert nicht. Sie hat kaum Waffen und Ausrüstung, um den nun bereits fünf Jahr tobenden Kampf gegen die südsudanesische Rebellenarmee SPLA fortzuführen. In den letzten Monaten sollen viele Soldaten desertiert oder zu den Rebellen übergelaufen sein. Der Bürgerkrieg ist von keiner Seite militärisch zu gewinnen. Zur entscheidenden Waffe ist längst das Hungern und Sterben der Zivilbevölkerung geworden. Mehr als eine halbe Million Menschen sind im letzten Jahr verhungert oder auf der Flucht an Krankheiten und Erschöpfung gestorben.

Greifbar nah schien der Frieden im November, als die damals an der Regierung beteiligte Partei DUP mit der SPLA einen Friedensplan ausgehandelt hatte. Kernpunkt war eine Vertagung der Debatte über die Einführung der Scharia, der islamischen Gesetzgebung, auf eine verfassungsgebende Versammlung. Der Kampf der Rebellenbewegung, die sich vorwiegend aus schwarzafrikanischen Christen rekrutiert, richtet sich gegen die politische, ökonomische und soziale, aber vor allem religiöse Vorherrschaft der Araber im Lande. Auf den Friedensplan der DUP und SPLA reagierten Premier El Mahdi, seine UMMA-Partei und erst recht die Partei der islamischen Fundamentalisten NIF zögernd. Sie akzeptierten schließlich nur die Forderung einer verfassungsgebenden Versammlung. Die Friedensinitiative platzte.

In diesem politischen Machtpoker spielt Premier El Mahdi clever die undurchschaubarste Rolle. Der internationale Druck auf ihn wächst: Die Niederlande haben ihre Entwicklungshilfe bereits gekürzt, und gerade haben einflußreiche US-Senatoren vorgeschlagen, die amerikanische Entwicklungshilfe von zur Zeit zehn Millionen Dollar auszusetzen, bis die Regierung sich handlungsbereiter zeigt. Auch die arabischen Bruderländer, vor allem Ägypten und Kuwait, werden ungeduldig. Gedrängt von allen Seiten, wird El Mahdi nicht müde, seine Friedensbereitschaft zu beteuern. Gleichzeitig knüpft er jedoch engere Bande zu Libyen und bittet dort um Waffenhilfe.

Wenn man den Beamten in Khartoums Ministerien und den Funktionären der Regierungsparteien Glauben schenken will, wartet der Frieden um die Ecke. „Wir sind voller Hoffnung. Im Ausland wird nicht genug gewürdigt, wie sehr sich unsere Regierung um Frieden bemüht.“ Khadigia Hussain, Staatssekretärin im Ministerium für Frieden, versucht Optimismus auszustrahlen. Informationsminister Beschir Omer spricht von ein paar notwendigen „Klarstellungen“ - dann sei es soweit. Wie die erreicht werden? Die Regierung delegiert die Friedensdebatte in für Einzelfragen zuständige Komitees, die wiederum Unterkomitees bilden, die weitere Details diskutieren usw. usw. Der Mann und die Frau auf der Straße sehen die Sache klarer: „Die Regierung quatscht und quatscht und geht dann schlafen.“ Und nicht wenige Südsudanesen sagen ohne Umschweife, daß die Regierung auf Zeit spiele und den Süden schlichtweg aushungern wolle.

Bei dieser Hinhaltetaktik will die Armee offenbar ihren Part nicht länger spielen. Denn sie weiß wie alle anderen Akteure und Beobachter des Krieges, daß eine ungeheure Hungerkatastrophe bevorsteht, wenn im Mai der Regen einsetzt und die von der SPLA eingeschlossenen Städte nicht mehr aus der Luft mit Nahrungsmitteln zu versorgen sind. Ohne einen zumindest begrenzten Waffenstillstand ist der Hungertod von mindestens 300.000 Menschen zu erwarten. Das weiß auch Premier El Mahdi. Doch mehr als diese Tatsache beeindruckte ihn das Ultimatum der Militärs. Mit seiner Bereitschaft vom Samstag zu einer Kabinettsumbildung greift er wohl zur einzigen Möglichkeit, einen Putsch zu verhindern.