Die große Kollaboration

Erstmals wurde in Italien die Zusammenarbeit von organisierter Kriminalität und Rechtsterrorismus festgestellt / Fünfmal lebenslänglich für Schnellzug-Anschlag von 1984  ■  Aus Florenz Werner Raith

Fünfmal lebenslänglich, einmal 28 und einmal 25 Jahre Gefängnis für den Bombenanschlag auf den Schnellzug Neapel -Mailand Weihnachten 1984, bei dem 17 Menschen ums Leben gekommen und 266 verletzt worden waren: So lauteten letzten Samstag die Urteile, mit denen erstmals Italiens Gerichte in einem Attentatsverfahren nicht nur die Ausführenden (von denen der materielle Bombenleger, ein 17jähriger Junge, allerdings bereits von den eigenen Leuten ermordet wurde), sondern auch die Hintermänner verurteilt haben. Und erstmals wurde mit dem Urteil des Florentiner Schwurgerichts eine enge Zusammenarbeit von Rechtsterrorismus, Mafia und Camorra festgestellt. Von einem „historischen Urteil“ sprachen die Vertreter der Anklage nach der Urteilsverkündung.

Geplant hat das Attentat demnach der gleichzeitig im rechtsradikalen Milieu wie in der neapolitanischen Unterwelt „angesehene“ Giuseppe Misso. Mit von der Partie war der ehemalige neofaschistische Abgeordnete Massimo Abbatangelo (dessen Verfahren wegen zeitweiliger Immunität abgetrennt wurde), und logistische Hilfe hat der römische Resident der sizilianischen „Cosa nostra“, Pippo Calo, geleistet. Calo hat u.a. die Zündeinrichtung beschafft, die den Schnellzug im längsten Eisenbahntunnel Europas, zwischen Vernio und San Benedetto Val di Sangro, hat explodieren lassen. Als Bastler der Auslöseeinrichtung haben die Florentiner Richter den deutsch-österreichischen Elektrotechniker Friedrich Schaudinn ausgemacht und zu 25 Jahren verurteilt - in Abwesenheit, denn Schaudinn ist ihnen nach Deutschland entkommen, als ihm die Behörden statt Haft Hausarrest in Ostia gewährten.

Das Zusammenspiel von Rechten und Organisierten machte für alle Beteiligten Sinn: Die Faschisten wollten mit einem spektakulären Attentat an den genau 15 Jahre zuvor erfolgten ersten mörderischen Anschlag der Rechten auf die Landwirtschaftsbank in Mailand mit 15 Toten erinnern. Die Mafia hingegen wollte mit einem den Rechten zuzuschiebenden Bombenanschlag von den Enthüllungen des „Cosa nostra„ -Kronzeugen Tommaso Buscetta ablenken. Und die Camorra wiederum wollte sich beide, Mafia wie Rechte, als Geschäftspartner in Waffenhandels- und Rauschgiftgeschäften sichern.