Ayatollah Gorbatschow

UdSSR-Außenminister Schewardnadse in Teheran  ■ K O M M E N T A R E

Der Atheist aus Moskau und der Ayatollah aus Teheran haben sich auf halbem Wege getroffen. Nach den Sanktionen westlicher Staaten gegen den Iran wegen der Rushdie-Affäre zeigt der Alte in Jamaran nun der EG auf dem Felde der Diplomatie, was eine Harke ist. Kein Wunder, daß der Besuch des sowjetischen Außenministers Schewardnadse bei dem iranischen Revolutionsführer von den Medien des Landes ungewöhnlich breit herausgestellt wird. Und die UdSSR packt die Gunst der Stunde beim Schopfe. Während der britische Außenminister Howe bei den Begräbnisfeierlichkeiten in Japan für eine internationale Isolierung der Islamischen Republik warb, tut Schewardnadse, auch im Hinblick auf die Moslems im eigenen Land, als wären die politischen Uhren vor zwei Wochen stehengeblieben und spricht vom Ausbau der Zusammenarbeit auf allen Gebieten. Der Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan hatte die Annäherung ermöglicht.

Während Khomeini und der sowjetische Parteichef Gorbatschow über den Islam als Gesellschaftsmodell auch für die Sowjetunion korrespondieren, ist es just diese khomeinistisch-fundamentalistische Variante des Islam, die Rushdie in sein Versteck zwang, eine Variante, der im übrigen auch die Mitglieder der pro-sowjetischen Tudeh -Partei in den Gefängnissen zum Opfer fielen. Vorbei schienen die Zeiten, als der ehemalige Tudeh-Chef Kianuri, ungeachtet der Hinrichtungen von Oppositionellen in den ersten Jahren nach dem Umsturz, das Regime unterstützte und dafür mit dem Beinahmen „Ayatollah“ belegt wurde. Nun werden die Uhren zurückgedreht. Zwar sitzt Kianuri im Knast, mußte im Fernsehen „bereuen“ und plaudert dort heute über den Islam, aber es scheint, als habe er einen würdigen Nachfolger gefunden: Ayatollah Gorbatschow, der nun Khomeini die Stange hält.

Beate Seel