Belgrads Panzer rollen in Kosovo

Armee- und Polizeieinsätze in Kosovos Hauptstadt Panzer an Überlandstraßen aufgefahren  ■  Von Roland Hofwiler

Krakau (taz) - In der autonomen Provinz Kosovo herrscht Hochspannung. In der Nacht zum Sonntag umstellten Einheiten der jugoslawischen Volksarmee zusammen mit paramilitärischen Polizeiverbänden das Parlamentsgebäude, das Parteihaus und den Campus der Universität in Pristina. Dies meldete Radio Pristina am Montag in den Frühnachrichten. Pristina ist die Hauptstadt der mehrheitlich von Albanern besiedelten Provinz Kosovo. Wie Bewohner der Region der taz telefonisch mitteilten, wurden an den Überlandstraßen von Pristina nach Belgrad, Pec und Titovo Mitrovica mobile Straßensperren errichtet. Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen, die aus der Landeshauptstadt kamen, wurde die Fahrt ins Kosovogebiet untersagt. Augenzeugen zufolge sind an den Überlandstraßen auch Panzer aufgefahren.

In Kosovo steht der öffentliche Verkehr still, fast alle privaten Geschäfte in albanischem Besitz haben geschlossen. An der Spitze der Protestbewegung, die die gesamte Provinz lahmgelegt hat, stehen die 1.200 Bergleute in der Blei- und Zinkmine von Trepca. Seit acht Tagen leben sie in ihren Minen verschanzt. Über 300 Kumpel sind - tief im Bergesinneren - in einem unbefristeten Hungerstreik. Ihre Hauptforderung: eine schriftliche Bestätigung, daß die Rechte, die den zwei Millionen Albanern in der Verfassung von 1974 zugesichert wurden, nicht wieder abgeschafft werden, wie dies Slobodan Milosevic, der Parteichef der Republik Serbiens, immer offener fordert. Kosovo ist Serbien angegliedert. Als erstes Zeichen der Verständigung verlangen die Bergleute den Rücktritt des vor zwei Monaten auf Druck von Milosevic eingesetzten Parteichefs der Provinz, Rahman Morina. Dieser sei zwar Albaner, verfolge aber die politischen Ziele des serbischen Parteichefs und verrate das albanische Volk. Nach der Drohung mit einem militärischen Einsatz haben die Minenarbeiter nach alter albanischer Sitte reagiert und einen Schwur abgelegt: Wer den Aufstand mit Gewalt zu brechen versucht und den Tod von Kumpels mitverantworte, müsse mit Blutrache rechnen.

Vergeblich versuchte der jugoslawische Parteichef Stipe Suvar, ein Kroate, in der Nacht zum Samstag die Bergarbeiter von ihrem „selbstmörderischen Unterfangen“, wie er es nannte, abzubringen. Suvar war über tausend Meter tief in den Berg gefahren, erntete unten bei den Streikenden aber Fortsetzung Seite 6

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einen Korb, nachdem er sich zu keinen Zugeständnissen bereit zeigte. Inzwischen haben 90 Hungerstreikende ein Krankenhaus aufgesucht. 26 meist ältere Bergleute befinden sich laut ärztlicher Auskunft in einem äußerst kritischen Gesundheitszustand. Den 1.200 Kumpel von Trepca haben sich am Wochenende7.000 Arbeiter der Magnesiummine von Goles und der Kohlegruben von Muahdjer angeschlossen und sich am Freitag abend ebenfalls unter Tage verschanzt.

Milosevic, der sich zusammen mit Suvar zur Mine in Trepca begeben und sich dort vergeblich um ein Gespräch mit den Bergleuten bemüht hatte, meldete sich am Wochenende über den Belgrader Rundfunk zu Wort. Die Albaner träumten von einer Konterrevolution, sagte er, und drangsalierten mit allen Formen des Psychoterrors die serbische Minderheit (13 Prozent der Bevölkerung) im Kosovo, um ein „ethnisch rein albanisches Kosovo“ zu schaffen. Nur wenn das Serbische zur ein

zigen Amtssprache und alle öffentlichen und kulturellen Einrichtungen serbisch verwaltet würden, könnten die Albaner „kultiviert und dem europäischen Geistesleben nähergebracht werden“.

Auf diesen serbischen Nationalismus reagierten die albanischen Universitätsprofessoren mit einem offenen Brief. „Acht Jahre“, heißt es darin, „wurde gegen das albanische Volk ein Verbalterrorismus geschürt. Das muß nun ein Ende finden.“ Durch die Stellungnahme ihrer Professoren ermutigt, besetzten am Wochenende 7.000 Studenten das Sportstadion der Stadt.

Der Protest der Bergarbeiter von Kosovo findet inzwischen in anderen Teilen Jugoslawiens Unterstützung. Der kroatische Gewerkschaftsbund diskutiert Hilfsmaßnahmen, der Schriftstellerverband Sloweniens hat sich solidarisch erklärt und die slowenische Parteijugend hat bereits einen Fonds zur Unterstützung der Bergarbeier von Trepca eingerichtet. Und seit Freitag befindet sich auch eine Gruppe emigrierter Jugoslawen vor ihrer Botschaft in Bonn in einem Hungerstreik.