Noch ein Film über Vietnam

■ In dem Film „Dear America“ von Bill Couturie lesen große Stars Briefe von Vietnamsoldaten. Mit passenden Bildern, Musik und den Amerikanern als armen Opfern

Erinnern sie sich an „19“ - den Vietnamsong auf Platz 1 in den Charts - die peppige Mischung von Musik und O-Ton mit den im Tanzrhythmus geschnittenen Dokumentaraufnahmen im Videoclip? Bill Couturie hat dieses Musik-Video produziert und sein Film „Dear America“ ist eine ambitioniertere Fortsetzung davon. Briefe von US-Soldaten in Vietnam in ihre Heimat sind die Basis der Dokumentation, in der Filmmaterial aus Wochenschauen, Nachrichtensendungen und Amateurfilmen die Texte bebildern; dazu sehr viel Popmusik aus den 60ern und in der Originalfassung die Stimmen von Stars wie Robert de Niro, Michael J. Fox, Mat Dillon oder Kathleen Turner.

Zuerst merkt man fasziniert, wie gut das alles in einer bemerkenswerten Fleißarbeit zu einer buntschillernden Collage zusammengefügt wurde. 926 Stunden Filmmaterial wurden dafür gesichtet, aber jetzt sieht man auch wirklich eine einsame rote Blume im Dreck des Schlachtfeldes, wie sie in einem Brief erwähnt wird, und wenn von der Angst beim Patroulliengang durch den Dschun

gel geschrieben wird, schleicht die Kamera zitternd durchs drei Meter hohe Elefantengras.

Immer wieder wird man an die bekannten Vietnamfilme erinnert: die Kampfhandlungen, das hautnah gefilmte Soldatenleben sind wie aus „Platoon“, die Rekruten werden geschoren und gedrillt wie in Kubricks Film und die Helicopter fliegen ihre Angriffe zur Musik der Rolling Stones wie in „Apocalypse Now“.

Diese Regiseure haben ihre Bilder diesen Originalaufnahmen nachgestellt, aber man fragt sich immer mehr, ob nicht Coutturie aus dem riesigen Berg von Filmmaterial die Bilder heraussortiert hat, die die Ästhetik der Fiktionen über Vietnam bestätigen.

Und wie dort sind wieder die US-Soldaten die Opfer des Krieges, die Vietkong kommen nur als Bedrohung oder höchstens abstrakt als höhere Zahl bei den Verlusten vor. Die Soldaten schrieben durchaus auch über die Vietnamesen: „In ihren Briefen sprechen sie dauernd von der Schuld, die sie etwa den Waisenkindern gegenüber empfinden,“ so Couturei, aber in dem Film fie

len diese Sequenzen der Schere zum Opfer, denn Coutrier wollte „einen Film über den amerikanischen Soldaten machen, um ihnen ihre Ehre wiederzugeben und zu sagen: es war nicht eure Schuld. Es war Amerikas Schuld“.

Gerade diese Briefextrakte hätten aber vielleicht eher den Veteranen zur Ehre gereicht als der weinerliche Grundton, der den Film durchzieht. „Keine Sorge. Es gibt nichts, womit ich nicht ferig werde“ - solche großkotzigen und naiven Töne der Neuankömmlinge werden schnell von Schilderungen der Angst, der Erschöpfung und des Entsetzens abgelöst. Dazu die hochtönenden Reden von Präsident Johnson im Fernsehen, Bob Hope bei der Truppenbetreuung zu Weihnachten und die kurzen Pausen mit Besäufnissen und Huren. Das wirkt alles sehr authentisch und auch ergreifend, aber dennoch verläßt man das Kino mit zwiespältigen Gefühlen. Letztlich ist „Dear America“ ein patriotischer Film, und am Schluß singt Bruce Springsteen sein „Born in the USA“.

Wilfried Hippen

Atelier, 18.15 und 21.00 Uhr