Seht doch nach drüben!

■ „Der Bruch“: Eine komödiantische DEFA-Produktion aus der DDR mit Otto Sander, Rolf Hoppe und Götz George, federleicht inszeniert von Frank Beyer, berauschend-witzig geschrieben von Wolfgang Kohlhaase

Auf der Berlinale wurde er gezeigt und war vom ersten Augenblick an das, was man einen Publikumserfolg nennt. Aber sowas heißt in den meisten Fällen: Todesurteil bei der Filmkritik, denn was dem „großen Publikum“ gefällt, kann ja nichts Künstlerisches sein. Unter anderem auch bei unserer großen Schwester, der überregionalen taz-Kultur-Gouvernante Christiane Peitz. Die hat den „Bruch“ ziemlich

stiefmütterlich und gönnerhaft behandelt. Und auch wenn eine Krähtikerin der anderen eigentlich kein Auge aushacken sollte - in diesem Fall tu ich's, denn fast die gesamte Berlinale wurde in der Berliner Redaktion niedergemacht, als gälte es, über schlechte Schüler in einer Zeugniskonferenz zu befinden: Klassenziel wieder nicht erreicht.

In Bremen läuft „Der Bruch“ schon eine Weile. Allerdings nur

im UT, wo eher die anrüchigen Publikumserfolge zu befürchten sind. Und nun wird es höchste Zeit, die Bremer zu animieren, massenhaft ins UT zu gehen, um diesen Film ach was: diese federleichte, von trockenem Charme sprühende, auf virtuos-witzigen Dialogen einherschwebende Ganoven -Komödie aus der DDR zu genießen. Ja, richtig: „Der Bruch“ ist eine DEFA-Produktion, auch wenn das auf den

Plakaten nur schamhaft-un scheinbar vermeldet, dafür eher mit Götz George geworben wird. Doch der verkörpert in diesem Film alles andere als die Schimanski-Fäkalblubber-Kotzbrocken-Mentalität aus dem Ruhrpott-„Tatort“. George ist im „Bruch“ ein wundervoll schmieriger, pomadenhaariger Frauenverführer und -betrüger und Teil des dilettantischen Einbrecher-Trios, zu dem außer ihm Otto Sander und Rolf Hoppe gehören.

Der Film spielt in Ostberlin 1946. Und obwohl der gelingende, aber leider polizeilich erfolgreich geahndete Einbruch und Geldklau im Mittelpunkt der Handlung steht, mitsamt den fahrigen Ganoven, geht es doch auch um zwei etwa 15/16jährige Jungs, die sich in der Nachkriegszeit mit Schwarzmarktgeschäften, sexuell-tapsigen, wichtigtuerisch -unsicheren Mädchenbetatschereien und - der eine - als Hilfseinbrecher oder - der andere - als eifriger Fahnder betätigen. Und das Nachkriegs-Trümmer-Klima, das dieser Film in Atmosphäre, Dialogen - ich kann mich nicht erinnern, jemals von

einem so glänzenden Drehbuchautor wie Wolfgang Kohlhaase unterhalten worden zu sein - mit Schnitt, Kameraführung und schauspielerischem Können erzeugt, ist ein Gemisch aus Melancholie, Komik, Desolatheit und wurschteligem Neuanfang. Alle sind komisch oder leicht skurril, und doch macht sich der Film über keinen lustig, denn alle haben zugleich etwas sehr Anrührendes: Die Barsängerin mit ihrer tief-gurrenden Stimme entpuppt sich als Transvestit, aber man lacht nur darüber, daß man darauf reingefallen ist, nicht über den Anblick des halb-enthüllten Mannes in der Garderobe.

Von „Spannung“ im oberflächlich-kriminalistischen Sinn will dieser Film nichts wissen. Aber selten habe ich so gespannt verfolgt, wie sich in einem Unterhaltungsfilm das Komische mit dem Klugen mischt, wie dicht Charme und Doofheit nebeneinanderliegen. Und selten bin ich nach einem Film so beschwingt und gut gelaunt aus dem Kino gekommen wie aus diesem - ja - diesem Geschenk aus der DDR.

Sybille Simon-Zülch