Straßenbahn auf neuen Gleisen

■ Nach ÖTV und BUND fordert jetzt auch die BSAG einen Ausbau ihres Schienenetzes / BSAG-Vorstand fühlt sich von Bremer Politikern alleingelassen

„Um für die Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs in Bremen Maßnahmen aufzuschreiben, braucht man nur in die Kiste zu greifen und das zu nehmen, was da seit 10 bis 20 Jahren liegt.“ Der das gestern vor der Bremer Landespressekonferenz sagte, muß es genau wissen, denn der BSAG-Vorstandsvorsitzende Wilhelm Peters ist bereits seit 15 Jahren im Amt. Und nur einmal, 1976, hatte er Gelegenheit, neue Straßenbahnschienen einzuweihen. Da wurde die Linie 6 nach Huchting verlängert.

Geht es wenigstens in Zukunft nach Wilhelm Peters Wünschen geht, dann kann er in den kommenden Jahren häufiger Streckeneinweihung feiern. Denn ebenso wie der Bund für Umwelt und Naturschutz und die ÖTV fordert, nach langem Schweigen, jetzt auch die BSAG den Ausbau des Streckennetzes. In einer dicken Dokumentation legte Peters gestern insgesamt 52 wünschenswerte Einzelmaßnahmen vor, von

kleineren Verbesserungen am bestehenden Netz bis zu einem Ring von acht Park-&-Ride-Plätzen an der Peripherie Bremens.

Eine Verbesserung der Ertragslage der BSAG, da ist sich der Vorstand sicher, ist nur zu erreichen, wenn das Umfeld für den ÖPNV verbessert wird. Die Überlegung ist nicht neu. Als die Bremer Karte 1986 eingeführt wurde, wurde deshalb ein 54 Punkte umfassender Maßnahme-Katalog beschlossen. Doch selbst von den vergleichsweise kleinen Verbesserungen, wie zum Beispiel der Schraffierung von Gleiskörpern, wurden erst 28 verwirklicht.

Wie stiefmütterlich politische und beamtete Stadtplaner bislang mit dem ÖPNV umgehen, belegte die BSAG gestern mit ein paar Zahlen. In den letzten 20 Jahren hat die Stadt 299 Mio. Mark aus Bonn bekommen. Prämisse war, daß das Geld gleichmäßig zwischen dem Straßenbau und dem ÖPNV aufgeteilt wird. In Bremen

aber erhielt der ÖPNV lediglich ein Viertel der Gelder. Folgerung der BSAG: „Der beabsichtigte Vorrang für den ÖPNV ist nicht verwirklicht worden.“

Doch auch mit den jetzt zusammengefaßten Altplänen ist die BSAG nur ein kleines Stückchen vorangekommen. In der Rubrik Kosten der Maßnahme findet sich mit schöner Regelmäßigkeit die Eintragung: „Es liegen zur Zeit keine ausreichenden Unterlagen für Kostenschätzung vor.“ Und Wilhelm Peters mußte sich lange fragen lassen, ehe er aus dem großen Wunschzettel seine Priorität verriet: Kurzfristig wünscht er sich, daß die Straßenbahn-Staustrecke im Steintor beseitigt wird, zum Beispiel dadurch, daß das Parken völlig verboten wird oder die Hauptstraße durchs Viertel einfach probehalber mal ganz für Autos gesperrt wird. Und langfristig steht die Verlängerung einer Straßenbahnlinie bis nach Horn und zur Uni bei der BSAG ganz oben.

hbk