Koalitionsverhandlung vor dem Bruch?

■ SPD-Chef Momper äußerte sich in Bonn skeptisch über das Zustandekommen einer rot-grünen Regierungskoalition / Alternativer Liste Inkompetenz und Chaos vorgeworfen / AL fühlt sich unter Druck gesetzt / SPD-Rückzieher bei beschlossenen Programmpunkten

Das rot-grüne Stimmungsbarometer war gestern auf dem Nullpunkt. Nachdem SPD-Chef Momper in Bonn seine „Skepsis“ darüber geäußert hat, ob eine Koalition mit der AL zustandekommen und letzten Endes verläßlich arbeiten könnte, machten die Sozialdemokraten in Berlin auch Rückzieher in den Sachfragen. Punkte, die bereits ausverhandelt waren, wurden jetzt wieder zurückgenommen.

Beispiel Innere Sicherheit: Am Ressort „Extremismus“ beim Verfassungsschutz, das abgeschafft werden sollte, wollen die Sozialdemokraten nun doch festhalten. Die Abschaffung der Sondereinheiten der Polizei wollen die SPD-Verhandler auf die EbLT reduzieren.

Beispiel Kulturpolitik: Das Deutsche Historische Museum, angefeindet von Historikern und Stadtplanern, will die SPD nun doch bauen. Das offizielle Argument lautet, es gebe bereits bestehende Verträge, die man nicht brechen könne. Doch vermutet wird, es gebe die Direktive aus Bonn, sich keinen unnötigen Ärger zu machen. Das Historische Museum koste Berlin nichts und bringe Arbeitsplätze.

Ähnliche Hiobsmeldungen waren gestern von seiten der AL aus nahezu allen Kommissionen zu hören. Ausnahmen machte nur Ausländer/Asyl. Die einigten sich gestern offenbar in gutem Einvernehmen. Die Gruppe Bauen/Wohnen hatte ihr Papier bereits letzten Freitag fertig. Der für Montag angesetzte Pressetermin wurde jedoch von den Sozialdemokraten gestern früh kurzfristig zurückgezogen. „Terminschwierigkeiten“, so die Begründung, hinter der sich der Ärger der Sozis über die AL und deren „inkompetente und chaotische Verhandlungsführung“ in einzelnen Kommissionen verbirgt. Außerdem will man den Alternativen wohl noch einmal kräftig die Leviten lesen. Etwa 30 Dissenspunkte werden von den Untergruppen in die große Verhandlungsrunde überwiesen. Ein Riesenbrocken, von dem die SPD wohl fürchtete, daß er an den zwei angesetzten Verhandlungstagen am 3. und 5. März gar nicht zu schaffen sein würde. Für heute abend wurde deshalb ein zusätzlicher Termin anberaumt, eine Krisenrunde, bei der die SPD den Alternativen auch klarmachen will, daß sie Forderungen, wie die nach einer Initiative für die Zusammenlegungen der RAF-Gefangenen, in ihrem Koalitionspapier nicht haben will.

Keine Probleme macht, entgegen den Aussagen einer dpa -Meldung von gestern nachmittag, die angebliche AL-Forderung nach einem „Ressort Rassismus mit einer Abteilung Schwule und Lesben“. Einen derartigen Ressortanspruch habe die AL nicht, sagte gestern Pressesprecher Schneider. Man überlege nur in Richtung einer Stelle, ähnlich der der Ausländerbeauftragten.

Momper betonte in Bonn aber auch, er wolle mit der AL eine Koalition. Er bestand auf der gemeinsamen Verantwortung der beiden Parteien. Er forderte die AL auf, „Prioritäten“ in ihren Forderungen zu setzen. Es könne nicht sein, daß die SPD das Element der Vernuft in der Koalition übernehmen müsse und unpopuläre Entscheidungen zu treffen habe, währenddessen die AL nach außen populäre, aber „nicht finanzierbare Forderungen“ unterstütze.

bf