Säuerliche Moral-betr.: Interview mit Winnie Mandela, taz vom 22.2.89

betr.: Interview mit Winnie Mandela, taz vom 22.2.89

Die Nachrichten der letzten Zeit über die Entführung, Folterung und wahrscheinlich auch Ermordung eines schwarzen Jugendlichen durch den Mandela-Fußballclub werfen einige Fragen auf. Das o.g. Interview mit W.Mandela läßt diese Fragen nur noch dringlicher werden.

1. Woher nimmt Winnie Mandela, die vorgibt, für die Selbstbestimmung des Menschen einzutreten das Recht, schwule Beziehungen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen als „ekelhaft“, „Sodomie“, „abnormal“ zu qualifizieren? Wie kommt sie zu der im Grunde schon rassistisch anmutenden Auffassung: „Das ist abnormal für schwarze Jugendliche, in diese Art von Sexualität verwickelt zu sein“?

2. Wie kann Winni Mandela erwarten, weiterhin in ihrem berechtigten Kampf ernst genommen zu werden, wenn sie Folter rechtfertigt?

„Ich verstehe aber, daß der, der sie abgeholt hat, daß der sie geschlagen hat. Er wollte die Wahrheit herausbringen.“

Auch zu Winnie sollte es sich herumgesprochen haben, daß Aussageerpressung durch Schläge noch nie der Wahrheitsfindung gedient hat, ein solches Vorgehen ist entwürdigend, darf gerade von Leuten, die vorgeben, für die Freiheit des Menschen einzutreten wohl kaum mit derartigem Verständnis gesehen werden. Oder hört die Menschenwürde dort auf, wo sie sich nicht mit Winnies offenbar recht säuerlicher Moral verträgt?

3. Rechtfertigt das Einlassen eines Jugendlichen auf schwulen Sex (mal unterstellt, es sei tatsächlich so gewesen), wie von Winnie zugestanden, mindestens einwöchige Gefangenschaft und Folter, unter Umständen gar Ermordung für den 14jährigen Stompie?

Es muß sehr darauf geachtet werden, hier nicht in ein falsches Fahrwasser zu geraten. Erinnert sei nur an den jahrelangen Kampf auch der deutschen Linken gegen das Regime des Schahs von Persien. Nach dessen endlicher Ablösung ist's dann aber so gekommen: Steinigung und Todesstrafe für Schwule!

Winnie Mandela und auch der ANC müssen sich fragen lassen, wie es, im Hinblick auf diesen Fall, nach dem Sieg über das rassistische System um die Menschenrechte für Schwule, auch schwarze Schwule, in Südafrika bestellt sein wird. Muß man fürchten, daß es dann zu ähnlichen Exzessen wie im Iran des Ayatollah Khomeini kommen wird?

Dieter F.Ullmann, Berlin 12