Elf Karabach-Aktivisten noch in Haft

Appelle zum heutigen Jahrestag der Sumgait-Pogrome für die Freilassung der Komitee-Mitglieder  ■  Von Ojars Rozitis

Münster (taz) - Noch immer sind nicht alle politischen Gefangenen in der Sowjetunion frei. Seit dem 10.Dezember letzten Jahres befinden sich elf Mitglieder des armenischen Karabach-Komitees in Haft. Nach Berichten der Angehörigen sollen sie inzwischen in Moskauer Gefängnisse verlegt worden sein. Die Anklagen lauten entweder auf „Organisation von Gruppenaktionen unter Störung der öffentlichen Ordnung“ oder „Verletzung der Gleichheitsrechte der Nationalitäten und Rassen“. Für beide Straftatbestände lautet die Höchststrafe drei Jahre Freiheitsentzug.

Angesichts dieser Situation fordern sowjetische und westliche Grupppen und Organisationen die Freilassung der Gefangenen. In einem gemeinsamen Schreiben an Michail Gorbatschow und den Generalstaatsanwalt der UdSSR Ende Januar verlangen die baltischen Volksfronten die Gründe für die Inhaftierung zu überprüfen. Nach ihrer Ansicht werden die Angeklagten kriminalisiert und der „Kriminalkodex zu politischen Zwecken mißbraucht“. Dies sei ein „undemokratisches Vorgehen“, das im Widerspruch zu den Zielen der Perestroika stehe. Die Öffentlichkeit sollte unverzüglich über diese Untersuchung unterrichtet werden.

Weiterhin fordern die Volksfronten, eine Politik aufzugeben, die die zwischen nationalen Gruppen bestehenden Spannungen mit Gewalt zu lösen sucht. Die gemeinsame Erklärung schließt mit den Worten: „Die Inhaftierung von Persönlichkeiten, die das armenische Volk als seine Führer anerkennt, stellt einen Akt von böswilligem Machtmißbrauch dar; damit werden die Probleme verkompliziert, die ohnehin schon schwierig genug sind. Es ist unmöglich, mit einer derartigen Belastung zum Plenum des ZK der KPdSU über die zwischenstaatlichen Beziehungen zu schreiten und sich auf die in Moskau geplante Menschenrechtskonferenz (der KSZE, d. Red.) vorzubereiten.“

Bereits auf dem Gründungskongreß der Volksfront Lettlands am 8.Oktober 1988 hatte die armenische Schriftstellerin Silva Kaputikjan die Letten zur Solidarität aufgefordert. Am 26.November kam es sogar gleichzeitig zu Kundgebungen in Armenien, Estland, Georgien, Litauen und Lettland gegen die Änderungen in der sowjetischen Verfassung, die nach Auffassung der Teilnehmer die Souveränitätsrechte der kleineren Republiken beschneiden würde.

Weltweit rief die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international zu Solidaritätsaktionen für die Gefangenen auf. Protestbriefe sollten an den Generalstaatsanwalt der UdSSR, A. J. Sucharew gerichtet werden. Adresse: 103793 Moskwa, Ul. Puschkinskaja 15a, Prokuratura SSSR, Generalnomu Prokuroru, A. J. Sucharewu.