Auch Polens Untergrundverleger hoffen

Die schreibende Zunft will sich organisieren: Schriftsteller und Journalisten fordern unabhängige Verbände / Erste Zugeständnisse der Regierung / Parteinahe Vereinigungen fürchten Konkurrenz  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Polens Fernsehzuschauer trauten ihren Augen nicht, als sie Sonntag abend die Berichterstattung des polnischen Fernsehens über den runden Tisch verfolgten. Vorgestellt wurde dabei ein junger, bis dato weitgehend unbekannter Mann aus der Delegation der Opposition. Er bezeichnete sich als Mitglied des Nowa Verlags, des, wie er sagte, „ältesten polnischen Samizdat Verlags“, sprachs und zog drei Bücher aus der Tasche: „Dies sind unsere letzten Erzeugnisse, und wir würden uns freuen, wenn sie bald auch legal erscheinen könnten.“ Ein Untergrundverleger, der im Fernsehen Werbung macht - das hat es in Polen bisher noch nicht gegeben, auch nicht, als Solidarnosc 1980 noch landesweit arbeiten konnte.

Polens unabhängige schreibende Zunft ist selbstbewußter denn je. Und das gilt nicht nur für Untergrundverleger. „Wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir nach wie vor legal sind“, sagt Stefan Bratkowski, Vorsitzender des 1983 aufgelösten polnischen Journalistenverbandes (s.Interview von gestern). Nach der Auflösung von Bratkowskis Verband gründeten parteitreue Journalisten sofort den „Journalistenverband der polnischen Volksrepublik“. Und der fürchtet um Mitglieder und Einfluß, wenn Bratkowskis Verband wieder zugelassen wird.

Vor ähnlichen Problemen steht auch der Schriftstellerverband. „Wir stellen überhaupt keine materiellen Ansprüche“, versichert Jan Jozef Szczapanski, Vorsitzender des verbotenen Verbandes. Zwar wurden nach der Auflösung die Ferienwohnhäuser, Erholungsheime, Stipendien und Krankenversicherung genommen und dem sofort neugegründeten parteitreuen Verband unter Halina Auderska einverleibt, doch Szczapanski will dies alles gar nicht zurückhaben. „Wir sind der Ansicht, der künftige Verband soll unabhängig sein, auch materiell. Wir planen daher zur Finanzierung der Vereinstätigkeit die Gründung eines eigenen Verlages“, erklärt Szczapanski, der in Krakau schon mit dem Aufbau seiner Organisation begonnen hat. Auch Bratkowski sammelt bereits Beitrittserklärungen ein, die aus aller Welt zu ihm geschickt werden.

Doch bei der bloßen Wiederzulassung der Verbände soll es nicht bleiben, wenn es nach den Vertretern der schreibenden Zünfte geht, die am runden Tisch sitzen. Zulassung der Untergrundverlage auf dem offiziellen Markt, Papierzuteilung eingeschlossen, Gründung neuer unabhängiger Verlage, Zulassung oppositioneller Zeitungen verlangt die Opposition. Während die Regierung auf die Forderung, an Fernsehen und Rundfunk die Opposition zu beteiligen, noch ablehnend reagiert, gibt es bereits erste Verhandlungserfolge, was die freie Presse angeht.