Roma-Streit um grünen Spitzenkandidaten

Zwischen dem Zentralrat deutscher Sinti und Roma und der Rom und Cinti-Union ist ein Streit über die grüne Nr.1 für die Europawahl entbrannt / Zentralrat attackiert die Politik des Hamburger RCU-Vorsitzenden und grünen Spitzenkandidaten sowie die Grünen  ■  Aus Hamburg Oliver Neß

Der Vositzende der Hamburger Rom und Cinti-Union (RCU), Rudko Kawczynski, ist als Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl heftig umstritten. Morgen werden die Vertreter der Grünen, der Hamburger Grünen Alternativen Liste (GAL) und des „Zentralrates deutscher Sinti und Roma“ in Bonn zu einem „klärenden Gespräch“ zusammenkommen.

Bereits Anfang Februar hatte der Zentralrat heftige Kritik an der Politik Kawczynskis für die Sinti und Roma geübt. In einem der taz vorliegenden Brief an die Grünen vom 7.2. fordert der Zentralrat eine „Klarstellung der künftigen Zusammenarbeit“. Auslöser für den Konflikt war die Nominierung des Ex-SPDlers Kawczynski zur bevorstehenden Europawahl als Vertreter der Roma und Sinti. Der Zentralrat wirft Kawczynski vor, die staatenlosen Roma „für eigene spektakuläre Auftritte“ zu benutzen. Heftig kritisiert werden vom Zentralrat Äußerungen des Hamburger RCU -Vorsitzenden.

So hatte Kawczynski nach der Unterbringung einer noch heute akut von der Abschiebung bedrohten Roma-Familie in der Hamburger Hafenstraße im Dezember 1988 die bunten Häuser am Hafenrand zum „gegenwärtig einzigen Raum, wo Recht herrscht“, erklärt. In dieser Aktion aber sah der Zentralrat „ein Hinwegsetzen über die im Grundgesetz festgelegte Rechtsordnung und damit eine Gefährdung des einzigen Schutzes für Sinti und Roma als Minderheit in Deutschland“.

Weiterhin hält man „die sehr schwierige Lage der vier Millionen Roma in Osteuropa und Jugoslawien nicht auf dem Wege des politischen Asyls für lösbar“. Das politische Wirken Kawczynskis bringt nach Auffassung des Zentralrats um dessen Vorsitzenden Romani Rose „die Bürgerrechtsarbeit unserer Minderheit in Mißkredit“. Die Grünen müssen sich jetzt mit dem Vorwurf auseinandersetzen, „es entstehe der fatale Eindruck, daß sie die Lage einer diskriminierten und benachteiligten Minderheit in Europa für das Spektakel ihres Wahlkampfes instrumentalisierten“.

Der Disput zwischen Zentralrat und RCU scheint sich zunehmend zu einem persönlichen Machtkampf der Vorsitzenden beider Verbände (Rose/Kawczynski) auszuweiten. In letzter Zeit hat es vermehrt Presseerklärungen von Verwandten Roses in Norddeutschland gegeben, die Kawczynski scharf angreifen. In Hamburg ist einer der Kritiker sofort aus der RCU ausgeschlossen worden. Die häufig zu hörende These, daß der Zentralratsvorsitzende Romani Rose mit dem Brief an die Grünen die Kandidatur Kawczynskis zur Europawahl verhindern will, läßt Rose über seine Mitarbeiter heftig dementieren. Kawczynski hält an seiner Kandidatur fest: „Ich bin nominiert; solange die Roma hinter mir stehen, kandidiere ich auch.“ Und an die Adresse der Grünen: „Ich verlange von den Grünen und der GAL, zu entscheiden, ob sie einen heimatlosen Roma als Spitzenkandidaten wollen oder nicht.“ Über den Rose sagt Kawczynski zur taz: „Mir ist egal, ob Rose mich angreift. Er torpediert aber die Arbeit der Roma, und das ist unglaublich. Rose benimmt sich spießig und kleinbürgerlich.“ Rose selbst war für die taz nicht zu sprechen.

Zu den Querelen der Roma-Verbände erklärte der Bonner Geschäftsführer der Grünen, Eberhard Walde, der Vorwurf gegen die Grünen, sie instrumentalisierten die Lage der Sinti und Roma für ihren Wahlkampf, sei unbegründet. Die Nominierung Kawczynskis sei kein Votum gegen den Zentralrat oder für die Rom und Cinti-Union. Den Grünen sei es bei der Entscheidung vielmehr darum gegangen, durch die Aufstellung eines Angehörigen einer Volksgruppe, die schlimmsten Verfolgungen ausgesetzt war und heute noch unter wachsender Fremdenfeindlichkeit zu leiden hat, ein deutliches Zeichen zu setzen. Für die von den Grünen um Stellungnahme gebetene Hamburger GAL erklärt die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Christine Kukielka: „Wir haben uns noch nie zu Personen geäußert. Wir werden das bei Rudko Kawczynski auch nicht tun. Die politische Idee, einen heimatlosen Roma zu nominieren, finden wir gut und unterstützenswert.“

Eine bei den Querelen um die Europakandidatur Kawczynskis unter Umständen vorentscheidende Aussage aus Hamburg, wo erhebliche persönliche Differenzen zwischen GALierInnen und RCU ansonsten mehr als ein offenes Geheimnis sind.