Freispruch für 'UZ'-Chefredakteur

Richter: Veröffentlichung eines abgehörten Telefongesprächs zwischen Cromme und Kriwet war illegal, aber der Chefredakteur handelte „nicht vorsätzlich“ / Die Staatsanwaltschaft geht in die Berufung  ■  Aus Neuss Walter Jakobs

Der ehemalige Chefredakteur der DKP-Zeitung 'UZ‘, Georg Polikeit, gegen den ein Strafbefehl in Höhe von 5.000 Mark wegen der Veröffentlichung der illegal abgehörten Cromme -Gespäche ergangen war, ist am Montag auf Kosten der Staatskasse freigesprochen worden. Zwar habe es „objektiv“ einen Verstoß gegen Paragraph 18 des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) gegeben, befand der Vorsitzende des Neusser Amtsgerichts, Klaus Röttger, aber die Anklage habe Polikeit eine Kenntnis über die Art der Aufzeichung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht nachweisen können. Eine Verurteilung nach dem FAG setze aber das subjektive Wissen des verantwortlichen Journalisten vorraus.

Wie berichtet, hatte die 'UZ‘ am 29.4.1988 Protokolle von Telefongesprächen des Vorstandsvorsitzenden der Krupp-Stahl AG, Gerhard Cromme, mit dem Chef der Thyssen Stahl AG, Heinz Kriwet, und dem Krupp Arbeitsdirektor Meyerwisch veröffentlicht. Knapp drei Wochen zuvor hatten die taz und der WDR die wichtigsten Passagen dieser Gespräche in Ausszügen dokumentiert. Die SPD-Landesregierung, die durch die Veröffentlichungen arg in Bedrängnis geriet, hatte seinerzeit durch ihren Justizminister die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf angewiesen, alle Fälle zentral von den Düsseldorfer Anklägern verfolgen zu lassen. Die Ermittlungen gegen die taz dauern an. Gegen einen verantwortlichen Redakteur des WDR und zwei Moderatoren sind inzwischen Strafbefehle von insgesamt 16.000 Mark ergangen. Der Rechtsstreit um die 'UZ' -Veröffentlichung wird auf jeden Fall weitergehen. Staatsanwalt Norbert Blazy, der eine Strafe von 60 Tagessätzen a 50 DM forderte, kündigte sofort nach dem Urteilsspruch Berufung an.

Der juristischen Auseinandersetzung kommt erhebliche Bedeutung zu. Soweit bekannt, versucht die Staatsanwaltschaft erstmals die Veröffentlichung von illegal abgehörten Telefongesprächen mittels des FAG zu bestrafen. Mit dem Gesetz wird nach den Worten von Verteidiger Götz „nur das Monopol der Post auf die Funkanlagen, nicht aber die Vertraulichkeit des Wortes geschützt“. Das Gesetz greift deshalb, weil nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Gespäche, die Cromme aus dem Auto geführt hat, auf dem Weg zwischen dem Fahrzeug und der Postempfangsstelle mittels entsprechender Funkanlagen abgehört wurden. Eine Verurteilung nach dem allgemeinen Strafrecht (Paragraph 201) schied in diesem Falle aus, weil die abgehörten Manager gegenüber der 'UZ‘ keinen Strafantrag gestellt hatten. Während beim FAG die Staatsanwaltschaft selbst tätig werden kann, verlangt Paragraph 201 einen Strafantrag der „Geschädigten“. Im Falle der taz liegt ein solcher Strafantrag von Cromme vor. Eine Verurteilung nach Paragraph 201 scheidet aber dann aus, wenn an der Veröffentlichung ein besonderes öffentliches Interesse, juristisch ein „rechtfertigender Notstand“, besteht. Obgleich in dem vorliegenden Fall der Paragraph 201 StGB gar nicht zur Anwendung kommen konnte, ging Amtsrichter Röttger in seiner Urteilsbegründung in zwei Sätzen darauf ein. Nach Meinung des Richters hat ein „rechtfertigender Notstand“ und damit „eine Rechtfertigung für die Veröffentlichung nicht vorgelegen“. Der Rheinhausener Betriebsrat sieht das ganz anders. In einem Brief an die verfolgten Journalisten heißt es: „Die Veröffentlichung des Tonbandmitschnitts lag und liegt im hohen öffentlichen Interesse. Kapitalentscheidungen, die das Interesse ganzer Städte und Regionen berühren, dürfen nicht hinter verschlossenen Türen getroffen werden.“

Georg Polikeit charakterisierte in seiner Eingangserklärung die Ermittlungen und den Prozeß als „einen Angriff auf die Presse- und Informationsfreiheit generell in unserem Land“. Gegenüber den Stahlarbeitern und den Politikern der Region „hätten wir es geradezu für unverantwortlich gehalten, den Inhalt dieser Telefonate vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten“.