Machtmensch mit Mama-Komplex

■ Berlusconi - der italienischen Karriere zweiter Teil / Präsident des AC Mailand will seine Fußballer zur besten Mannschaft Europas machen

Seinen Erfolg verdankt Belusconi neben einer aggressiven Werbestrategie - seine Werbefirma eroberte mit 35,1 Prozent Marktanteil und 1,7 Milliarden Mark Umsatz die Spitzenstellung aller Agenturen, der Vielzahl von Eigenproduktionen. Die Fernsehabteilung seiner Firmenholding

„Fininvest AG“ verfügt über die größten Fernsehstudios Italiens. Hier wurden 1985 wöchentlich 54 Sendungen, darunter 28 Shows für alle drei TV-Stationen hergestellt.

Vor seinem Schritt auf den ebenso komplizierten wie lukrativen Werbemarkt der Bundesrepublik hatte Berlusconi bereits in zahlreichen anderen Ländern seine Möglichkeiten mit Erfolg sondiert. In Frankreich beteiligte er sich mit einem spektakulären Manöver zu 25 Prozent am privaten Sender „La Cinq“, in Spanien kaufte er die größten TV Studios des Landes, die „Estudios Roma“, in Portugal eröffnete er eine Fininvest-Vertretung und in Kanada besitzt der 52-jährige Mailänder 20 Prozent der Fernsehgesellschaft „Multilingual Television UHF“. Einen zusätzlichen Mosaikstein fügte er seinem Imperium Mitte September 1987 mit der Beteiligung an der Münchener Kabelprogrammgesellschaft (KMP) zu, die die „musicbox“ betrieb. Die Musikbox hat seit dem 11.1.1988 einen neuen Namen. Sie heißt, in Anlehnung an das italienische „canale cinque“ jetzt „Tele 5“. Seit dem 11.1.1988 präsentiert sich „Tele 5“ mit neuem Programmprofil und sendet neben Musik

clips nun auch Spielfilme, Serien und Unterhaltungs-Shows. Seit dieser Zeit erhebt „Tele 5“ auch Anspruch auf terrestrische Frequenzen. Vermutlich wird der Sender zumindest nachts demnächst auch in Bremen zu empfangen sein. Medienexperten fragen sich, warum Berlusconi ausgerechnet in das kleine Unternehmen „Musicbox“ eingestiegen ist, das den beiden privaten Größen SAT 1 und RTL nicht das Wasser reichen kann. Aber ein Blick über die Alpen zeigt, mit welchen Mitteln „Sua Emittenza“ dort an die Spitze gelangt ist.

Auch privat ist er gern eine öffentliche Persönlichkeit. Sein Zuhause, etwa 30 Autominuten von Mailand entfernt, präsentiert er gerne Journalisten aus aller Welt, Berlusconis Landsleute neiden ihm sein prachtvolles Renaissance-Schlößchen nicht. Nicht die antiken Möbel, nicht die imposante Gemäldegalerie, in denen Arbeiten von Rembrandt, Botticelli und canaletto hängen. Ein Reitplatz, Fußball- und Tennisanlagen runden das Bild vom fürstlichen Besitz ab. Die gesamte Pracht präsentiert er gerne den Medien - unvorstellbar für einen bundesdeutschen Unternehmer. Vielleicht bewundern die Italiener in Silvio Berlusconi aber auch

den begnadeten Entertainer. „Sua Emittenza“ könnte jedem seiner Stars mühelos Konkurrenz machen. Bei aller Nüchternheit und Geschäftstüchtigkeit hat er sich darüberhinaus Eigenschaften bewahrt, die Klischeevorstellungen über das italienische Wesen zu bestätigen scheinen. Den Familiensinn beispielsweise. Seinen Bruder Paolo hat er an der Spitze seines Unternehmens untergebracht. Und auf die Frage, was ihn zu seinem rastlosen Einsatz antreibe, antwortet er ganz im Ernst: „Meine Mama sagt, daß ich dieses Zeichen trage: Ziele erreichen zu wollen, an denen man nur mit Blut, Schweiß und Tränen herankommt, um es mit historischen Worten auszudrücken. Solange ich arbeite, triefe ich vor Blut, Schweiß und Tränen.“

Den AC Mailand will Berlusconi in den nächsten Jahren zur besten europäischen Vereinsmannschaft entwickeln. Weitere Spielereinkäufe sind dafür in Zukunft vorgesehen. In der italienischen Meisterschaft hat der AC Mailand dieses Jahr keine Chancen mehr. Kein Wunder, daß Berlusconi deshalb um so mehr einen Sieg im Europapokal der Landesmeister fordert. Werder wird sich warm anziehen müssen.

Heiko Roes