RAF-Hungerstreik wird fortgesetzt

■ Juristenvereinigung kritisiert die strafrechtliche Verfolgung der streikenden Gefangenen Verfassungsschutzexperten plädieren für Zugeständnisse / ÄrztInnen: Isolationshaft ist Folter

Berlin (taz) - Wie die inhaftierten Mitglieder der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) angekündigt haben, sollen heute zwei weitere Gefangene den am 1. Februar begonnen Hungerstreik wieder aufnehmen. An die 50 Mitglieder aus „RAF und Widerstand“ hatten bis zum 15. Februar die Nahrungsaufnahme verweigert und die Zusammenlegung der Gefangenen, Entlassung von vier Haftunfähigen sowie freie Information und Kommunikation auch in den Knästen gefordert. Danach wurde der Hungerstreik nur noch von den RAF-Mitgliedern Karl-Heinz Dellwo und Christa Eckes fortgesetzt. Im Zwei-Wochen-Rythmus sollen jeweils zwei weitere die Nahrungsaufnahmen wieder verweigern. Nach diesem System soll solange verfahren werden, bis alle Gefangenen im Hungerstreik sind.

Die „Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen“ (VDJ) forderte inzwischen die Einstellung der Ermittlungsverfahren, die die Bundesanwaltschaft gegen die Hungerstreikenden eingeleitet hat. Bereits am ersten Tag des Streikes hatte die oberste Anklagebehörde den Beteiligten eine „mitgliedschaftliche Betätigung in einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen, Zellenrazzien veranlaßt und Verfahren nach Paragraph 129a eingeleitet. Für den VDJ ist es „mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren, auf diesem Wege Häftlingen die letzte verbliebene Möglichkeit zu nehmen, ihre Interessen nachdrücklich zu artikulieren und in drastischer Form auf sich aufmerksam zu machen“. In einem liberalen Staat dürfe die Strafe nicht soweit gehen, „Häftlinge als Persönlichkeit und in ihrer Identität zu zerbrechen, worauf eine Strafverfolgung wegen Teilnahme an einem Hungerstreik hinausläuft“. Ebenso mit einem liberalen Strafrecht unvereinbar sei die Verfolgung von Personen, die die Forderungen nach Zusammenlegung von Gefangenen unterstützen.

Einem Bericht des Hamburger Nachrichtenmagazins 'Spiegel‘ zufolge plädieren die Experten im Verfassungsschutz für vermittelnde Gespräche mit den Inhaftierten. Am vergangenen Donnerstag soll demnach in Köln ein Treffen der Verfassungsschützer aus Bund und Ländern stattgefunden haben, „um eine tödliche Zuspitzung der Lage zu vermeiden“. Dabei sollen die Experten gegen den entschiedenen Widerstand von Generalbundesanwalt Rebmann dafür plädiert haben, bis zu acht Häftlinge in mehreren Gruppen zusammenzulegen, den Besuch von Eltern und nahen Verwandten nicht mehr zu überwachen und die haftunfähigen Claudia Wannersdorfer, Bernd Rößner und Günther Sonnenberg zu entlassen.

Der „Verein der demokratischen Ärztinnen und Ärzte“ appelliert in einer Erklärung, „die offensichtlich mit gesundheitlichen Schäden einhergehenden Haftbedingungen aufzuheben“. Die ÄrztInnen verweisen auf eine Stellungnahme des Züricher Psychiaters Ralph Binswanger, der 1986 vor dem UN-Menschenrechtsausschuß sagte, die in der BRD praktizierte Isolationshaft erfülle nach international anerkannten Definitionen den Tatbestand der Folter. Zur Unterstützung der Hungerstreikforderungen wird in Hamburg unterdessen eine Großdemonstration für den 17. März vorbereitet. Auch der DGB und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratische JuristInnen sollen in die Vorgespräche einbezogen werden.

Die Anwälte der Hungerstreikenden haben die Einrichtung des Informationszentrums in der Frankfurter Landesgeschäftsstelle der hessischen Grünen begrüßt. Die UnterstützerInnen haben die Räume für ein Hungerstreik-Büro besetzt. Nachdem die Grünen sich vehement distanziert hatten und die Telefonverbindungen unterbrechen ließen, sind die BesetzerInnen innerhalb dieses Gebäudes in andere Räume umgezogen. Telefone werden in Absprache mit der Hausverwaltung noch verlegt.

Wolfgang Gast