CSU sieht Union in dramatischer Lage

■ CSU-Vorsitzender warnt vor „Koalitionsunfähigkeit“ / Waigel sieht Übereinstimmung bei Asylrechtsänderung mit CDU/ Koalitionsabsichten mit REPs verneint / Bundesregierung wird §218-Klage von Bayern mittragen

München (taz) - „Ich kenne nur den Roman Rumplhanni von Lena Christ“, schmunzelte der CSU-Vorsitzende Theo Waigel. Ob es bei dem dreistündigen Spitzentreffen der beiden Unionsparteien am vergangenen Montag „gerumpelt“ hat, wollte er der Münchner Journalistenrunde am vergangenen Montag abend lieber nicht verraten. Gleichzeitig räumte Waigel jedoch ein: „Es ist klar zugegangen.“ Den Zustand der Unionsparteien bezeichnete er als „sehr ernst bis dramatisch“. Dies hätten auch die Bonner nach einer „ungeschminkten Analyse der Situation“ eingesehen. In Hinblick auf die Wählerverluste an das rechte Lager warnte der Schwabe vor einer „strukturellen Koalitionsunfähigkeit von CSU/CSU“, falls diese Entwicklung nicht gestoppt werden könne und die beiden Schwesterparteien soviele Stimmen verlieren, daß sie auch zusammen mit der FDP keine Mehrheit haben. Die CSU werde jetzt sehr genau darauf achten, daß die in Bonn vereinbarten Schwerpunkte zur Ausländer-, Asyl- und Deutschlandpolitik durchgesetzt werden.

Auch die CDU halte jetzt eine Verfassungsänderung des Asylrechts für „notwendig“ und „unumgänglich“. Auf Nachfrage mußte Waigel diese „Übereinstimmung“ einschränken. „Es hat in der CDU niemand widersprochen, weil die anderen nicht da waren.“ Auch die Pressesprecherin der CDU war bezüglich einer Grundgesetzänderung vorsichtig. „Wir sind eine Volkspartei, ich kann nicht für jeden einzelnen die Hand ins Feuer legen“, erklärte sie gegenüber der taz. Gleichzeitig verwies sie jedoch auf das gemeinsame Wahlprogramm von CDU/CSU für die Bundestagswahl 1987. Dort ist festgelegt, daß Artikel 16 des Grundgesetzes ergänzt werden soll, um einen Mißbrauch des Asylrechts zu verhindern. „Ich halte nichts von Wählerbeschimpfungen“, erklärte Waigel im Zusammenhang mit dem Erfolg der rechtsradikalen „Republikaner“. „Man kann nicht die Grünen und die AL als hoffähig darstellen und auf der anderen Seite eine andere Kraft dämonisieren.“ Bei der Wahl in Berlin habe der CDU vor allem der frühere Innensenator Heinrich Lummer mit seiner repressiven Rechts- und Innenpolitik gefehlt. Vehement bestritt Waigel etwaige Koalitionsabsichten der CSU mit den „Republikanern“. Stolz verkündete der CSU-Vorsitzende außerdem, daß die Bundesregierung die bayerische Klage gegen den Abtreibungsparagraphen 218 „so weit es geht positiv mittragen“ werde. Bundeskanzler Kohl begrüße die Zielsetzung der Verfassungsklage. Selbst wenn das Schwangerenberatungsgesetz in Sinne der CSU geändert würde, werde die Partei die Klage nicht zurückziehen.

Zwar betonte Waigel es habe seitens der CSU keine Rücktrittsforderungen gegeben. Ob jedoch die Unstimmigkeiten der CSU mit der neuen Familienministerin, Ursula Lehr, gänzlich ausgeräumt und die Probleme damit vom Tisch seien, wollte er nicht klar beantworten. „Was vom Tisch ist, ist eine andere Frage.“

Luitgard Koch