Gen-Tech-Kongreß in Göttingen

Über 1.000 Teilnehmer beim 12. Kongreß der „Eucarpia“ / Pflanzenzüchter preisen Gentechnik als Wunderwaffe gegen Hunger / Großes Polizeiaufgebot für Bundesforschungsminister Riesenhuber  ■  Aus Göttingen Reimar Paul

Der Campus der Göttinger Universität glich einem kleinen Heerlager, Dutzende von Mannschaftswagen waren aufgefahren, PolizistInnen kontrollierten die Zugänge zum Zentralen Hörsaalgebäude. Derart beschützt, eröffnete Bundesforschungsminister Riesenhuber gestern den 12. Kongreß der „Europäischen Gesellschaft für Züchtungsforschung“ („Eucarpia“). Eine Woche lang werden sich über 1.000 Biologen, Chemiker und Agronomen aus 47 Staaten ihre neuesten Forschungserkenntnisse um die Ohren hauen. Im Mittelpunkt der Diskussionen: die Anwendung von Bio- und Gentechnologien in Pflanzenzucht und Landwirt schaft.

Der Einsatz gentechnischer Methoden in der Nutzpflanzen und Nahrungsmittelproduktion wird von der Industrie und vielen Politikern seit einiger Zeit als Lösung der zukünftigen Umwelt- und Hungerprobleme gepriesen. Riesenhuber entdeckte gestern zudem sportliche Aspekte: „Neue biotechnologische Methoden ermöglichen Innovationen und geben dem wissen schaftlichen Leistungsstre ben sowie dem wirtschaftlichen Wettbewerb weltweit neue Im pulse.“

Daß es sich so einfach nicht verhält, verdeutlicht ein Blick aufs Kleingedruckte in den Programmen der insgesamt acht Symposien: Professor Gerhard Röbbelen zum Beispiel, Leiter des Göttinger Instituts für Pflanzenzüchtung und Präsident der „Eucarpia“, betreibt in seinen Labors gentechnische Manipulationen an einer mexikanischen Ölpflanze namens Cuphea, deren Fette als wichtige Ausgangssubstanzen in der Speiseölproduktion und Kosmetikindustrie gelten. Gelänge es, die biophysikalischen Eigenschaften zur Produktion dieser Fette etwa auf Raps zu übertragen oder die Cuphea klimaresistent zu „impfen“ und in Mitteleuropa heimisch zu machen, käme es zu einem weltweiten Preisverfall. Zugunsten der Öl- und Margarineproduzenten in den Industriestaaten, zu Lasten der Ölpflanzenzüchter in Lateinamerika und Südostasien.

Der Mammutkongreß ist in eine Produktausstellung eingebettet, auf der feinmechanische und optische, aber auch chemische und pharmazeutische Firmen vor Augen führen, was an technologischem Zubehör zum Thema auf dem Markt ist.

Mit einer Reihe von Veranstaltungen und Aktionen versuchen in diesen Tagen verschiedene Gruppen, andere als die im Hörsaalgebäude verbreiteten Informationen über die ökonomischen und politischen Beweggründe der versammelten Biotechnologen zu verbreiten. Für gestern abend war eine Demonstration gegen den Pflanzenzüchterkongreß und gegen die Anwesenheit Riesenhubers in Göttingen geplant.