Buenvenuti a Brema

■ Forza Milano, Forza Milano: Seit gestern Mittag bevölkern die Fans des AC Milano die ihnen bis dato unbekannt gebliebene Hansestadt: Sieg oder Unentschieden?

Um 12.02 Uhr fuhren sie in den Bahnhof ein, die Fans des AC Milano. Einige zaghafte „Werder, Werder„-Rufe von grün -weißen Fußballfreunden wehten ihnen zwar entgegen. Aber die waren vorsichtshalber aus sicherer Distanz gerufen worden, von einem Begrüßungskomitee, das offensichtlich auf dem Sprung stand, nicht sicher, ob einige Milanesen ihnen ihr Engagement übel nehmen würden. Aber die winkten nur freundlich und antworteten tausendstimmig auf ihre Art: „FORZA MILANO. FORZA MILANO.“

Diszipliniert wie die Preußen formierten sich die Tifosi auf dem Bahnsteig und machten sich auf den Weg in die verregnete Stadt. Sie schienen vom Bremer Wetter gewußt zu haben, denn aus Rucksäcken zauberten sie Hunderte von Regenjacken, Fellhandschuhen, Mützen und Regenschirmen, wobei sie Fußballästhetik offenbarten, denn kaum ein Regenschutz, der nicht vereinsfar

ben schwarz-rot gefärbt war, kaum eine Mütze, die nicht die italienischen Nationalfarben vorzeigte.

Beliebt aber auch die orangene Variante, ein Tribut an die drei Holländer im Team und ganz besonders an den einen: Ruud Gullitt, dessen schwarzen Rasta-Locken an Hunderte von Schieber-Mützen angepappt waren. Dabei sogar einige Niederländer, die schon seit gestern in der Stadt waren, sich aber nun dem italienischen Zug anschlossen, mit dem sie eines eng verband: Die unendliche Bewunderung für die holländischen Stars Gullitt, Rijkaard und Europas Fußballer des Jahres: Marco van Basten.

Den regengrauen Empfang verschönerte die Ansagerin der Bürgerparktombola, die den italienischen Gästen die Willkommensgrüße der Stadt übermittelte, was eindeutig auf Wohlwollen der Tifosis stieß und auch der Willkommensgruß der taz, die die Fans natürlich für eine Sport-Zeitung hielten, stieß auf freundliches Interesse, zumal die Tifosis nicht nur Fragen beantworteten, sondern auch stellten: Gibt es hier Pizzerias und schöne Frauen? (in dieser Reihenfolge).

Auf die Frage nach ihren Kenntnissen von unserem kleinen Provinzverein (alles ist relativ), zuckten die meisten die Schultern. Die verbreitetste Nachricht war noch, daß Rudi Völler den Verein für eine relativ geringe Ablösesumme verlassen habe. Bekannt auch der lange Neubarth - mit Betonung auf der zweiten

Silbe - und der Trainer, der wohl etwas können muß, um so eine Truppe zum Meistertitel zu führen. Dann eine kleine Pause, die währt, bis die Frage nach dem Ergebnis kommt: Ein offensichtlich in nächtlicher Beratung abgestimmtes Brema: Uno; Milano: due.

Ein Fan, der trotz der durchfahrenen Nacht so frisch aussieht wie ein frischgebackenes Panini, glaubt sogar an einen Milaneser

Kantersieg: Vier zu eins. Kaum einer der Tifosis scheint von einer Niederlage ihres Klubs auszugehen, ein Unentschieden wäre selbstverständlich, ein Sieg keine Überraschung.

Sie scheinen zu glauben, hier treffe ein italienischer Gigant auf einen Verein, vielleicht so gut wie Pescara, Brindisi oder Siena: ernstzunehmen, aber letztlich ohne Chance.

FWG