VOM BILDERSCHIESSEN UND STORYSTERBEN

■ „Nachtjäger“, ein Dokumentarfilm von Johann Feindt im Sputnik/Südstern

Sie sind hautnah dran, die draußen an der Zeitungsfront in vorderster Linie kämpfen. Hektisches Gerenne, die unvermeidliche ärmellose Lederweste, als sei man auf Safari und nicht im zivilisierten Mitteleuropa im Rathaus oder gar bei einer Beerdigung. Und aufgemotzte Kameras, mit Blitzapparaten bestückt und riesig langen Teleobjektiven ausgerüstet, die sie wie Babys im Arm halten und liebevoll immer wieder auseinandernehmen, die Linsen putzen und den Bajonettverschluß des Objektivs einrasten lassen. Durch diese Maschinen wird der Film hindurchgejagt, Bilder werden geschossen.

In dem Dokumentarfilm „Nachtjäger“ über die Journalisten des Kölner 'Expreß‘ und des 'Stadtanzeiger‘ wird im O-Ton der lakonische Dialogstil der coolen Männer imitiert, und zu hören sind hilflose Floskeln, die notdürftig die eigene Ohnmacht und den Schrecken und Ekel beim täglichen Umgang mit Leichen und Verletzten bemänteln.

Auch die nächtlichen Fahrten unseres „Nachtjägers“ führen durch das nordrhein-westfälische Köln und nicht durch ein fernes, glorifiziertes San Francisco. Johann Feindt dokumentiert in ruhigen, schönen Großstadtbildern von Hochstraßen und Autobahnzubringern, deren Tristesse wirklich traurig macht und nicht als Werbeclip mit Saxophon für Haargel geeignet ist, das Lebensgefühl dieses „Zeitungsmachers“. In den Interviews sprechen sie vom endlosen Warten und allnächtlichen Hoffen auf „den goldenen Schuß“, auf das Foto, das sonst keiner hat, „daß ich sagen kann: Jetzt bist du wer!“

Für diese Trophäe, die endlich der Sieg wäre über die zermürbende Abhängigkeit des Tageszeitungsjournalisten von den Ereignissen, würden sie ihre Großmutter verkaufen. In der Pressemappe erfährt man aus einem nachträglichen Gespräch, daß der Fotograf ein paar Monate später bei der Gladbecker Geiselnahme wirklich solch ein Bild machen konnte, „mit Degowksi und Silke Bischoff, ... da wo der Gangster der Geisel die Pistole an die Schläfe hält, ... das hab ich fotografiert.“

Johann Feindt verzichtet auf das eindeutige Feindbild (Feindt: „Ich denke, man kann nicht an eine Frittenbude gehen, um dort über Müsli zu diskutieren“) des Sensations -Reporters, wie Böll es in der „Verlorenen Ehre der Katarina Blum“ anprangert, aber er ist auch weit entfernt vom aufklärerischen Heros des Investigations-Journalismus, der Dustin Hoffman und Robert Redford einst den Watergate -Skandal als „Die Unbestechlichen“ aufdecken ließ. Die kitschige Läuterung der auf Einschaltquoten fixierten TV -Tussi Jane Fonda im „Elektrischen Reiter“ verbietet sich von selbst.

Johann Feindt, dessen Reportage über das Urban-Krankenhaus ihm einige Lorbeeren eingebracht hat, was ihm mit „Nachtjäger“ vermutlich wegen des vermurksten Mittelteils über den Kölner Karneval nicht gelingen wird, beobachtet die Leute, die in dieser Gesellschaft „Meinungen machen“. Man spürt, was eben nicht mal zwischen den Zeilen zu lesen ist: die Ohnmacht und die menschliche Überforderung der Reporter durch ihren perversen Job und ansatzweise das daraus resultierende schlechte Gewissen, weil sie dem ganzen aufklärerischen Anspruch, den sie noch aus fernen Tagen journalistischer Wahrheitsfindung mit sich herumschleppen und mögen wie das „Vaterunser“ aus dem Konfirmationsunterricht, überhaupt nicht gerecht werden können.

In der Frühstückszeitung lesen wir wieder kauend über den letzten Selbstmörder, aber nur, wenn er originell war, von der aktuellen Massenkarambolage und über den fotogensten Hausbrand. Klar, daß die „Nachtjäger“ den Polizeifunk mithören, das ist zwar nicht erlaubt, aber im Gewerbe Usus, und daß sie dann am Einsatzort sofort wieder abziehen, fast vorwurfsvoll, wenn das Haus nicht richtig schön lodert und nicht mal „Menschenleben in Gefahr“ sind. Lohnt nicht! Weiter, damit gewinnst du den Aufmacher nicht!

Susanne Raubold

Ab heute bis 15. März im Sputnik Kino Südstern um 19 Uhr.