„Ich bin ein alt- modischer Republikaner“

Der Politologe Ossip K. Flechtheim feiert am Sonntag seinen 80. Geburtstag  ■ I N T E R V I E W

Ossip K. Flechtheim, Politikwissenschaftler und Begründer der Futurologie, wird am Sonntag 80 Jahre alt. Aus diesem Anlaß verleiht ihm die FU am Freitag die Ehrendoktorwürde. Internationales wissenschaftliches Ansehen erlangte Flechtheim durch seine Forschungen zur bundesdeutschen Parteiendemokratie und durch sein Konzept einer humanistisch -demokratischen Zukunftswissenschaft. Der politisch engagierte Wissenschaftler unterstützte Ende der sechziger Jahre die Studentenbewegung. 1980 trat er der AL bei und kandidierte erfolglos für das Abgeordnetenhaus.

taz: Herr Flechtheim, was bedeutet Ihnen die Ehrendoktorwürde des Otto-Suhr-Instituts?

Flechtheim: Ich freue mich natürlich über eine gewisse wissenschaftliche Anerkennung. Ich bin sonst Orden und Ehrenzeichen gegenüber sehr skeptisch. Mir ist einmal das Bundesverdienstkreuz, damals von Bundespräsident Walter Scheel, angeboten worden. Das habe ich abgelehnt mit der Begründung, ich wäre einer der altmodischen Republikaner, die auf Orden- und Ehrenszeichen keinen Wert legten. Ich wollte mich auch nicht in der Gesellschaft so vieler alter Nazis befinden, denen auch das Bundesverdienstkreuz verliehen worden ist. Diese Erwägungen spielen beim Ehrendoktorat, glaube ich, keine Rolle.

Sie sind bekannt als Mentor der alten und neuen Studentenbewegung. Was sagen Sie denn zu der Studentenbewegung 1988?

Ich bin ja jetzt nicht mehr an der Universität (Flechtheim emiritierte 1974, die Red.), habe also nicht mehr den unmittelbaren Kontakt, den ich damals hatte. Ich glaube aber, daß die Studentenbewegung heute einerseits einen begrenzteren Charakter hat, nicht jene großartigen Vorstellungen von der Entwicklung, wie sie damals vorhanden waren. Das kann man bedauern. Auf der anderen Seite ist sie vielleicht auch etwas realistischer, insofern als sie sich zunächst einmal auf eine grundlegende Reform des Hochschulwesens konzentriert. Damit leistet sie aber auch einen Beitrag zu einer Reform der Gesellschaft.

Die Verleihung der Ehrendoktorwürde findet am Freitag, 3. März, um 10 Uhr im Großen Senatssaal des Henry-Ford-Baus, Garystraße 35, statt. Die Festrede wird Professor Robert Jungk halten. Mehr über Ossip K. Flechtheim am Samstag in der taz.

Interview: Frauke Langguth