Polens neue Bankerbewegung

Monetaristen aus der Wspolnastraße / 'Gazeta Bankowa‘, das Organ der Bankeropposition für neue Gesetze / Polens Auslandsschulden und der steinige Weg zur Konvertibilität des Zloty  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

„Tut uns leid“, sagt die Dame hinter dem Schreibtisch bedauernd, „aber Sie sehen ja, unter welchen bescheidenen Bedingungen wir leben.“ Zwei enge Zimmer im vierten Stock eines Warschauer Büroblocks, ein paar Stühle, Tische und zwei Schreibmaschinen, das ist die 'Gazeta Bankowa‘, die Bankzeitung. Angefangen hat sie zwar vor einem Jahr etwas spektakulärer als andere neue Zeitungen, aber trotzdem nicht weniger bescheiden.

1987 geriet die Wirtschaftsbeilage der Regierungszeitung 'Rzeczpospolita‘ (Die Republik) unter Beschuß, 'Zarzadzanie‘ (Verwaltung) hieß sie und erregte besonders durch ihr vehementes Eintreten für Wirtschaftsreformen den Zorn des konservativen Regierungsestablishments unter dem damaligen Premier Zbigniew Messner. Natürlich dementierte damals Regierungssprecher Urban, der Einstellungsbeschluß für 'Zarzadzanie‘ habe etwas mit dessen politischer Einstellung zu tun: Das Blatt, behauptete er, sei einfach defizitär; die Buchprüfer sahen das zwar anders, aber 'Zarzadzanie‘ wurde dennoch aus der 'Rzeczpospolita‘ ausgegliedert. „Daraufhin“, erzählt Piotr Aleksandrowicz, „entstand die GmbH 'Zarzadzanie und Bankzeitung'“, die seither beide Organe gemeinsam herausgibt.

Banker für harten Zloty

Beteiligt an der GmbH sind zwei wissenschaftliche Institute und die polnische Nationalbank sowie zwei Privateigner. Aleksandrowicz ist stellvertretender Chefredakteur der Bankzeitung. Die Tatsache, daß sich Polens Banker zum großen Teil von unten, sozusagen oppositionell, zu organisieren beginnen, erklärt er so: „Wir sind eine pluralistische offene Zeitung, die nur einen festen Grundsatz hat. Wir sind für eine Wirtschaft, die sich auf eine starke Währung stützt. Von dieser Warte aus beurteilen wir alles.“

Und da eine harte Währungspolitik genau das ist, was Polens Regierung bisher nicht im Programm hatte, daß auch Rakowskis Regierung eher geneigt scheint, mit Budgetdefiziten weiter die Inflation anzuheizen, deshalb steht die 'Gazeta Bankowa‘ in Opposition zur Regierung. In diesem Punkt. Denn auch die Opposition selbst kommt nicht gut weg in den Augen der Banker. Aleksandrowicz: „Wenn die Opposition jetzt am runden Tisch Indexlöhne fordert, die die Inflation nur weiter anheizen, dann werden wir auch gegen die Opposition polemisieren.“

Daß die Bankzeitung gerne nach allen Seiten austeilt, dürfte auch mit der Zusammensetzung der Redakteure zusammenhängen. In der sitzen Journalisten, die schon bei den unterschiedlichsten Blättern gearbeitet haben. Da ist der Vorsitzende des 1983 aufgelösten Journalistenverbandes Stefan Bratkowski, der auch beim katholischen, Solidarnosc nahestehenden 'Tygodnifk Powszechny‘ schreibt, Dariusz Fikus, der früher bei der Parteiwochenzeitung 'Polityka‘ gearbeitet hat, und Aleksandro Wicz selbst, der nach seiner Beschäftigung bei der staatlichen polnischen Presseagentur zu Polens größter Wochenzeitung, dem 'Tygodnik Przeglad Tygodniowy‘ gegangen war, bevor er zur Bankzeitung kam. „Was einer in der Vergangenheit gemacht hat, spielt keine Rolle“, meint er, „wir blicken in die Zukunft.“ Und die sieht für die Leute aus der Wspolnastraße eher rosig aus.

Nach der geplanten Reform des polnischen Bankwesens zu schließen, dürfte sich die Abonenntenzahl von derzeit 20.000 wohl bald um einige frischgebackene Banker erhöhen. Seit dem 30.Januar gibt es in Polen ein neues Bankgesetz, das jedem die Möglichkeit gibt, eine Bank auf Basis einer Aktiengesellschaft zu gründen. So gibt es seit Jahresbeginn zumindest theoretisch Konkurrenz unter Polens Banken. Überall sollen im Land nun neue Banken entstehen und sich gegenseitig Konkurrenz machen, wie es bis jetzt nur marginal jene neun kommerziellen Banken praktizieren, die zum Jahresende aus der Nationalbank ausgegliedert wurden. Doch bis ein kommerzielles Bankennetz ganz Polen überziehen wird, dürften noch ein paar Jahre vergehen, vermutet Aleksandrowicz: „Nach vierzig Jahren Antiwettbewerbspolitik kann man nicht in ein paar Monaten ein neues Bankensystem aus dem Boden stampfen“. In Zukunft jedenfalls soll sich die Nationalbank auf die Funktion einer reinen Zentralbank nach westlichem Vorbild beschränken. Statt selbst Kredite zu vergeben, soll sie nur noch die Vergabepraxis der kommerziellen Banken kontrollieren und indirekt steuern, über Mindestrücklagen, Diskontsätze und Vergabeaufsicht. Aleksandrowicz: „Die Zentralbank wird dann hoffentlich auch von der Regierung unabhängiger sein als bis jetzt.“ Zur Zeit wird der Vorsitzende der Nationalbank auf Vorschlag des Regierungschefs vom Parlament Sejm gewählt. Folge: Die Nationalbank war zumeist blinder Erfüllungsgehilfe der Regierung, eine Art Krediterteilungsministerium und Inflationsmotor. Unverzeihlich aus der Sicht der Banker in der Wspolnastraße, hat sich doch die Nationalbank auch nicht gegen Defizite im Budget zur Wehr gesetzt.

„Auslandshilfe nötig“

Mit Zustimmung bedenkt er hingegen in der Wspolnastraße die Pläne, den Zloty im Inland konvertibel zu machen. Aleksandrowicz hält dies allerdings erst in zwei bis drei Jahren für machbar: „Ohne Stützungskredite aus dem Ausland wird das kaum gehen“, beurteilt er die Chance. In absehbarer Zeit zu einer Konvertibilität auch mit harten Währungen des Westens zu gelangen, eher skeptisch. Das Interesse westlicher Gläubiger Polens da auszuhelfen, ist jedoch eher gering. „Wir sind in einer schlechteren Position als Mexiko“, beklagt auch Aleksandrowicz die westliche Enthaltsamkeit bei Krediten. Bei denen steht Polen mit mittlerweile knapp vier Milliarden Dollar in der Kreide. Wie auch anderen Wirtschaftsexperten schwebt Aleksandrowicz eine Paketlösung vor, bei der sich einerseits die westlichen Gläubiger, Pariser Klub, IWF und Weltbank einschließlich Privatbanken zu einer umfassenden Umschuldung bereitfinden, andererseits Polen dies mit weitgehenden wirtschaftspolitischen Reformen, Eindämmung des Budgetdefizits, Stützung der Währung und schrittweiser Konvertibilisierung verbindet. Gerade mit dem IWF gibt es aber noch entscheidende Meinungsverschiedenheiten. Aleksandrowicz: „Das Anpassungsprogramm des IWF sieht unter anderem eine Verminderung des Lebensstandards um über zehn Prozent vor. Das ist eine Forderung, die in Polen niemand unterstützt. Niemand hat auch am runden Tisch bisher den Vorschlag gemacht, darauf einzugehen, das ist einfach irreal. Wir können uns darüber unterhalten, wie wir die Ziele des IWF auf andere Weise erreichen, durch Budgeteinsparungen etwa bei Polizei und Militär, durch Streichung von Subventionen. Senkung des Lebensstandards ist aber nicht drin.“

Maßnahmen zur schrittweisen Konvertibilität des Zloty hat Polens Regierung inzwischen bereits beschlossen. Einerseits kommt da Beifall aus der Wspolnastraße, andererseits meint Aleksandrowicz, „wird das die Inflation auch nicht gerade dämpfen“.