Kein Ja zum Brasilien-Kredit

Bonn (taz) - Bundeskanzler Kohl hat zugesichert, dem für Anfang Mai zur Entscheidung anstehenden „zweiten Energiesektorkredit“ der Weltbank an Brasilien nicht zuzustimmen, sondern eine deutsche Entscheidung bis zum Abschluß der Beratungen der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ zurückzustellen. Die überraschende Zusage des Kanzlers erfolgte bereits im Januar in einem vertraulichen Gespräch mit Parlamentariern. Der Vorsitzende der Kommission, Schmidbauer (CDU), bestätigte dies gestern auf Anfrage. Die Enquete-Kommission des Bundestags, die gestern die Minister Töpfer (Umwelt) und Klein (Wirtschaftliche Entwicklung) hörte, hat ihren Terminplan für die Anhörungen bis in den Juni hinein festgelegt. Ein Zwischenbericht ist für den Herbst geplant.

Damit ist der Terminplan der Weltbank für den Brasilien -Kredit über 600 Millionen Dollar hinfällig geworden. Die Weltbank, der der lange diskutierte Antrag Brasiliens in den nächsten Tagen zugeht, wollte Anfang Mai eine Entscheidung treffen. Brasilien will mit dem Kredit die Energieversorgung vorantreiben und 146 Stauseen zur Stromerzeugung anlegen, wofür riesige Gebiete tropischen Regenwalds abgeholzt werden sollen.

Gestern bestätigte die Weltbank gegenüber der taz, daß sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen Brasilia und der Bank zugespitzt haben. Die Bankunterhändler machten für die Auszahlung des Kredites zur Bedingung, daß auf den Bau des AKW Angra III in Brasilien verzichtet wird. Nach der Einigung in allen anderen Punkten hatte Brasilia vor wenigen Tagen in einer Studie über das Energieprogramm gegenüber der Bank auf dem Bau von Angra III beharrt. Auch der deutsche Exekutivdirektor bei der Weltbank, Gerhard Boehmer, hielt es daher gestern nicht mehr für ausgeschlossen, daß sich Brasilia und die Bankgeschäftsleitung an diesem Thema festbeißen und der brasilianische Kreditantrag schon im Ansatz scheitert. Dann bräuchte auch Kohl nicht mehr zu entscheiden.

gn/ulk