Nationale Rechte bei den Katholiken

Polens Katholiken erweitern ihren Strömungskanon um Rechtsextremisten / Parolen gegen Juden, Solidarnosc, Kommunisten und Oppositionelle / Die demokratische Opposition übt sich in Toleranz  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Die Differenzierung unter Polens Katholiken schreitet weiter voran. Neben Christdemokraten, Liberalen und Nationalen gibt es jetzt auch eine nationale Rechte. „Polen wie auch der polnische Papst ist unter Beschuß einer negativen, verleumderischen Propaganda der Weltpresse geraten“, erklärt der katholische Professor Maciej Giertych.

Um dieser Kampagne entgegenzutreten, hat Giertych eine Jubiläumsnummer der 'Gazeta Warszawska‘ auf den Markt gebracht. Vor dem Krieg war die 'Gazeta Warszawska‘ das Organ der extremen Rechten, der Nationaldemokraten. Die heutigen Herausgeber begreifen sich als deren Nachfolger und fühlen sich als Extremisten an den Rand gedrängt.

Mit Maciej Giertychs Aktivitäten hat sich eine neue, eine rechte Strömung im Kanon der polnischen Katholiken etabliert. Der jahrzehntelang währende Alleinvertretungsanspruch der Krakauer 'Tygodnik Powszechny‘ scheint nun zu Ende zu gehen. Mit der sich ausbreitenden Liberalisierung im Vereins- und Pressewesen kommen auch innerhalb der katholischen Kirche immer mehr gegensätzliche Trends zutage.

Begonnen hat diese Entwicklung mit der Legalisierung von 'Dziekania‘, einem Diskussionsklub um den Ex -Parlamentsabgeordneten Professor Stanislaw Stomma Ende letzten Jahres. War 'Dziekania‘ zunächst ein aus unterschiedlichsten Strömungen zusammengesetzter Diskussionsklub, haben sich inzwischen verschiedene Gruppierungen von ihm getrennt und sich selbständig gemacht. So hat Stommas ehemaliger Abgeordnetenkollege Janusz Zablocki beschlossen, aus seinem im Dezember 1988 gegründeten christdemokratischen Klub eine Partei zu machen. Mitbegründer sind unter anderem der bekannte Warschauer Strafverteidiger in politischen Prozessen, Wladyslaw Sila -Nowicki, und der bisherige parteilose Sejma-Abgeordnete, Professor Ryszard Bender. Im Gegensatz aber zu 'Dziekania‘, den Christdemokraten oder der liberal-konservativen Gruppe um die Monatszeitschrift 'Res Publica‘ gehört das Umfeld um 'Gazeta Warszawska‘ und dem Verlag 'Wort und Tat‘ zum rechten Rand des katholischen Spektrums.

Das zeigt sich sowohl inhaltlich, wenn in der Zeitung von der Gefahr „jüdischer Überflutung“ oder der Forderung nach Ausbreitung des Polentums die Rede ist, als auch in der Abgrenzung gegenüber anderen Katholiken. In der Vergangenheit hat die 'Res Publica‘ die strammen Nationalen um Giertych mehrfach angegriffen. Umgekehrt fehlt es auch nicht an heftiger Polemik Giertychs gegen 'Tygodnik Powszechny‘, der sich vor allem durch seine minderheitenfreundliche Blattlinie verhaßt gemacht hat.

Für Giertych ist der von 'Tygodnik‘ betriebene polnisch -jüdische Dialog nämlich nichts anderes als Verrat und Ketzerei: „Die Philosemiten des 'Tygodnik Powszechny‘ schlagen sich in unserem Namen an die Brust und lösen damit selbst antijüdische Reaktionen aus.“

Zwar berufen sich auch die Anhänger von 'Dziekania‘ auf die Nationaldemokratie, doch distanzieren sie sich zumeist von dessen Minderheitsfeindlichkeit und Antisemitismus; der Verlag „Wort und Tat“ nicht. In seinem Leitartikel in der 'Gazeta Warszawska‘ verteidigte Giertych ganz offen die Warschauer Nagorna-Kirche als „Hort und Symbol nationaldemokratischen Gedankengutes“. Jene Kirche war 1988 zum Mittelpunkt eines Skandals geworden, weil dort antisemitische Broschüren nach der Messe offen verkauft worden waren.

Obwohl die Gruppe um Giertych im politischen Spektrum Polens eine Außenseiterrolle spielt, ist ihr Einfluß nicht zu unterschätzen. Nicht zufällig sitzt Maciej Giertych in Jaruzelskis Konsultativrat und auch im Beratungsrat des polnischen Primas Glemp. Die Nähe des polnischen Primas zu Giertychs Gedankengut ist offensichtlich: Er verfasst lobende Einleitungen für nationaldemokratische Broschüren. Selbst mit seiner Meinung, Solidarnosc sei eine trotzkistische Verschwörung, vom Westen finanziert, steht Giertych weder im Klerus noch in der Partei allein da. Es ist kein Geheimnis, daß die nationalen Tendenzen unter Polens Katholiken bei Glemp auf mehr Begeisterung stoßen als die liberale Tendenz des 'Tygodnik Powszechny‘, der sich dafür der besonderen Beachtung des Papstes in Rom erfreut.

Der Staatsmacht kann diese Aufspaltung im katholischen Milieu nur recht sein. Zumal die neuen Rechten auch noch gegen Kriegsdienstverweigerung, Alkoholismus und Pornographie sind und ausgesprochen prorussisch eingestellt sind. Im Grunde gibt es diese Ansichten schon immer in Polen. Die Liberalisierung hat es möglich gemacht, daß nun auch solche Stimmen zu Wort kommen. Die demokratische Opposition übt sich in Toleranz: „Wenn wir für Pluralismus sind, müssen wir ihn auch denen zugestehen.“