Sparen statt verschwenden

„Europa und die Vereinigten Staaten haben ihre Wälder schon völlig zerstört. Und jetzt wollen sie Brasilien am Fortschritt hindern.“ Staudämme gleich Wachstum gleich Fortschritt - so sieht es nicht nur Brasiliens Innenminister Joao Alves. Aber langsam kommt auch im Land selbst Kritik an diesem Industrialisierungsmodell auf - zumindest bei einigen Wissenschaftlern, für die die Alternative längst nicht mehr „Wasserkraft oder Atomkraft“ lautet.

Vier Forscher der Univrsität von Sao Paulo und der Sao Paulo Energy Co. haben (gemeinsam mit einem Mitglied des Washingtoner „American Council for Energy-Efficient Economy“) im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, die das Riesenstaudamm-Programm regelrecht für überflüssig erklärt. Bis zum Jahr 2000 könnten ihren Berechnungen nach 20 Prozent der bisher geschätzten Energienachfrage durch effizientere Nutzung eingespart werden. Das würde immerhin bedeuten, daß auf zwei Drittel der zusätzlichen Energie verzichtet werden könnte. Das restliche Drittel dürfte sich durch die Erschließung von Erdgasvorkommen, kleine und ökologisch verträgliche Wasserkraftwerke sowie das bisher kaum erforschte Potential erneuerbarer Energiequellen decken lassen.

Da die Weltbank bisher keinen ernsthaften Versuch unternommen hat, Studien zu Energieeinsparung und alternativen Energiepfaden in Brasilien zu finanzieren, will jetzt die „Ford Foundation“ einen Gegenplan zum gigantischen „Plano 2010“ der Regierung ausarbeiten lassen - durch die Universitäten von Sao Paulo und Rio de Janeiro.

Eletrobras, der staatliche Energiekonzern, geht bei seiner Bedarfsrechnung davon aus, der Energieverbrauch werde bis zum Jahr 2000 jährlich um 5,6 bis 7,4 Prozent steigen. Diese Wachstumsraten wollen nun die Energiesparforscher erheblich senken. Ihre Studie vom letzten Jahr kritisiert als erstes die niedrigen Preise pro Kilowattstunde. Unternehmen zahlen

-Steuern inklusive - gerade fünf Pfennig für den Strom, der Preis ist in den letzten Jahren nicht einmal der Inflationsrate angepaßt worden. Die Folge: kein Aanreiz zum Energiesparen. Im Gegenteil: Großverbraucher wie die Aluminiumindustrie werden noch mit subventionierten Kilowattstunden angelockt.

Auch wenn der Pro-Kopf-Stromverbrauch der Brasilianer noch weit unter dem europäischen liegt: Die Forscher sehen viele Möglichkeiten einer rationelleren Nutzung. In der Industrie käme es darauf an, Motoren einzusetzen, die die Energie effizienter nutzen (Sie werden zwar schon Brasilien hergestellt, sind aber runde 25 Prozent teurer). Weg von der Rohstoffverarbeitung, hin zu Endprodukten und Produkten für den Dienstleistungssektor - auch das dürfte den Energieverbrauch senken. In den USA ist von 1973 bis 1984 die Energieintensität in der Industrie 32 Prozent zurückgegangen. Rund die Hälfte davon, so wird geschätzt, geht auf solche Änderung der Industriestruktur zurück.

Auch die Haushalte könnten sich am Stromsparen beteiligen. Bessere Kühlschränke bräuchten - nach dem heutigen Stand der Technik - 60 Prozent weniger Strom, mit Sparlampen würde sich die häusliche Beleuchtung 50 Prozent weniger verbrauchen, für die Straßenbeleuchtung liegt das Sparpotential bei 40 Prozent. Und die Klimaanlagen könnten Kühle spenden, ohne so viel heiße Luft nach außen zu pusten. Die notwendigen „Air conditioner“ werden sogar schon in Brasilien hergestellt - allerdings bislang nur für den Export. Immer wieder sichern sich die fünf Wissenschaftler ab - es gehe ihnen keineswegs um den Weg zurück ins Gaslaternenzeitalter: „Die energie-effiziente Strategie bedeutet keine Verringerung von wirtschaftlichem Wachstum oder der Energiequalität.“

Michael Rediske