Richter gegen staatliche Geheimhaltung

Bremer Staatsgerichtshof entscheidet, daß der Senat Akten über die Personalpolitik in der „Schwarzgeld-Klinik“ herausrücken muß / Geheimhaltung der Regierung sei Zweck anstatt Mittel  ■  Aus Bremen Dirk Asendorpf

Hat das Parlament ein Recht darauf zu erfahren, wie innerhalb der von ihr gewählten Regierung debattiert und entschieden wird? Immer wieder mußten sich bundesdeutsche Staats- und Verfassungsrichter mit dieser Frage befassen, wenn es darum ging, die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse mit aufschlußreichem Material zu versorgen. Am Mittwoch hat der Bremer Staatsgerichtshof einstimmig das bislang weitestgehende Urteil zugunsten eines Parlaments gefällt. Der Bremer Senat wird dazu verurteilt, alle Protokolle seiner Beratungen über die Personalpolitik in der Bremer „Schwarzgeld-Klinik“ an den parlamentarischen Untersuchungsausschuß herauszugeben.

„Verselbständigt sich die Geheimhaltung vom Mittel zum Zweck, so schadet sie der Institution“, hält das Gericht der Regierung vor. Dabei sei „die Tendenz der Bürokratie zu beachten, über jede rein sachlich motivierte Geheimhaltung hinaus aus reinem Macht- und Eitelkeitsinteresse das 'Amtsgeheimnis‘ als Mittel zu nutzen, um sich parlamentarischer Kontrolle zu entziehen“. Statt solch eitler Geheimniskrämerei der Regierung wünschen sich die Richter „Publizität als Medium eines vernünftigen Diskurses“ und berufen sich auf Habermas‘ Öffentlichkeitsbegriff.

Dem Argument des Senats, die Vertraulichkeit seiner Beratungen schütze davor, daß die Entscheidungsfindung in informelle „Suppenrunden“ verlagert wird, hält das Gericht ein 80 Jahre altes Argument des Soziologen Simmel entgegen: „Geheimhaltung im Zusammenhang mit kollegialen Entscheidungsprozessen verkörpert zugleich das Prinzip der Verantwortungslosigkeit.“ Zwar könnte sich nun in den womöglich öffentlichen Protokollen „ein weniger farbiges Bild der Senatsberatungen“ bieten, schreiben die Richter, „doch unter dem Aspekt ihrer potentiellen Beweisfunktion auch der Beweisfunktion ihres Schweigens“, seien sie weiterhin aussagekräftig genug.

„Die Entscheidung läßt mich als Demokrat frohlocken und stimmt mich als Regierungsmitglied bedenklich“, kommentierte Bremens Justizsenator Volker Kröning das Urteil, das „bundesweit Parlamentsgeschichte machen wird“. Siehe Kommentar Seite 4