Geldfragen sind Machtfragen

Letzte Verhandlungsrunde zwischen Berliner Alternativer Liste und der SPD / Vor grüner Bundesversammlung schießt Jutta Ditfurth gegen rot-grünes Bündnis  ■  Von Brigitte Fehrle

Berlin (taz) - Geld stand im Mittelpunk der gestrigen Verhandlungen zwischen Alternativer Liste und SPD. Nach den ganztägigen Verhandlungen der Kommission im IG-Metall-Haus am Pichelsee blieben mehrere Dissenspunkte übrig. Für den Bereich innere Sicherheit äußerte sich Renate Künast (AL) „skeptisch“ darüber, ob sich die Alternative Liste hier würde durchsetzen können.

Zwei wichtige Punkte blieben beim Thema Finanzierung offen: Der von der Alternativen Liste geforderten Erhöhung der Gewerbesteuer von 200 auf 300 Prozentpunkte stimmt die SPD nicht zu. Auch eine Ausbildungsabgabe für Unternehmen wollen die Sozialdemokraten nicht einführen. Geeinigt hat sich die Kommission über die Höhe der Nettoneuver schuldung. 1,4 Milliarden bis 1992.

SPD-Chef Momper sprach gestern abend von „90 Prozent Einigkeit“ in den Verhandlungen. Schwerpunkte der SPD/AL -Politik sollen im Wohnungsbau, sozialer Sicherung, den Hochschulen und dem Programm „Arbeit und ökonomischer Stadtumbau“ liegen. Im Wirtschaftsbereich sollen verstärkt Selbsthilfemaßnahmen gefördert werden. 100 Millionen Mark sollen dafür zur Verfügung stehen. Eine Sonderkommission „Arbeitsplätze für Berlin“ unter Leitung des Regierenden Bürgermeisters soll Zukunftsmöglichkeiten für neue Arbeitsplätze in der Stadt erörtern. Die Berlinförderung bleibt wie sie ist. Hier hat die AL von ihrer Forderung nach Pauschalierung der Berlinzulage Abstand genommen. Vereinbart wurde, daß eine „Effi zienzprüfung“ 1990 statt finden soll.

Der Auflösung der Freiwilligen Polizeireserve stimmt die Kommission nicht zu - entgegen der bisherigen Vereinbarungen in der Unterkomission Polizei. Auf „Granit“ biß die AL auch mit ihrer Forderung nach Reduzierung der Polizeistärke. Geeinigt hat man sich darauf, die Umweltkriminalität verstärkt zu bekämpfen. Sondereinheiten bei der Polizei soll es keine mehr geben. Dissens besteht weiterhin bei der Frage der Kennzeichnung der Polizei. Die SPD ist dagegen. Noch keine Einigung gibt es auch bei der Frage, wie weit die Rechte und Aufgaben des Verfassungsschutzes eingeschränkt werden sollen. Vereinbart wurde, ein Verfassungsgericht in Berlin einzurichten.

Die strittigen Punkte werden am Sonntag erneut auf der Tagesordnung stehen. Die AL hat wiederholt erklärt, daß sie das „Geschenk“ des Bundeskanzlers, das Deutsche Historische Museum, nicht annehmen will. Die SPD will aber - entgegen ihrem Wahlversprechen - zugreifen. Streit wird es in der Umweltpolitik um den Stromverbund geben. Noch ist auch nicht geklärt, ob das Ressort Jugend und Familie um eine Hauptabteilung Frauen erweitert wird. Fortsetzung Seite 2

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Während in Berlin SPD und AL eifrig weiterverhandeln, wird von anderer grüner Seite heftig gegen ein rot-grünes Bündnis in Berlin polemisiert. Rechtzeitig zu Beginn des Bundesparteitages der Grünen in Duisburg bezeichnete Jutta Ditfurth eine rot-grüne Koalition als „faulen Kompromiß“. „Die AL wird Posten statt Inhalte bekommen“, sagte die Politikerin gestern in einem Zeitungsinterview. „In einer ungeheuren Geschwindigkeit und teilweise mit schlechten Gründen werden grün-alternative Standpunkte zur Disposition gestellt.“

Nach Ansicht von Jutta Dithfurth hat sich die Alternative Liste von der Berliner SPD freiwillig über den Tisch ziehen lassen. Sollte die AL vier Jahre Koalition überstehen, sei sie nur noch eine „domestizierte Partei“. Diese Äußerungen läuten die Auseinandersetzungen um den künftigen Kurs der Grünen auf dem Bundesparteitag ein. „Ich befürchte Ausgrenzungsversuche gegenüber der radikalen Linken“, sagte Frau Ditfurth.