Grüne Polemik gegen Rot-Grün

Jutta Dithfurth schießt gegen rot-grünes Bündnis in Berlin / Die Berliner Alternative Liste und die SPD begannen gestern die letzte Verhandlungsrunde  ■  Von Brigitte Fehrle

Berlin (taz) -Während in Berlin SPD und AL eifrig weiterverhandeln, wird von anderer grüner Seite heftig gegen ein rot-grünes Bündnis in Berlin polemisiert. Rechtzeitig zu Beginn des Bundesparteitages der Grünen in Duisburg bezeichnete Jutta Ditfurth eine rot-grüne Koalition als „faulen Kompromiß“. „Die AL wird Posten statt Inhalte bekommen“, sagte die Politikerin gestern in einem Zeitungsinterview. „In einer ungeheuren Geschwindigkeit und teilweise mit schlechten Gründen werden grün-alternative Standpunkte zur Disposition gestellt.“ Nach Ansicht von Jutta Dithfurth hat sich die Alternative Liste von der Berliner SPD freiwillig über den Tisch ziehen lassen. Sollte die AL vier Jahre Koalition überstehen, sei sie nur noch eine „domestizierte Partei“.

Diese Äußerungen läuten die Auseinandersetzungen um den künftigen Kurs der Grünen auf dem Bundesparteitag ein. Mit dem Thema „Finanzen“ begann gestern vormittag die letzte, auf zwei Tage angelegte, große Verhandlungsrunde um die rot -grüne Regierungsbildung in Berlin. Bis zum Sonntag abend, so sieht es der Fahrplan vor, sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Begonnen wurde mit zwei grundsätzlichen Dissenspunkten. Der Vorschlag der Alternativen Liste, die Gewerbesteuer zu erhöhen, wird von der SPD strikt abgelehnt. Mehrbelastungen der Wirtschaft, so hatte SPD-Chef Momper immer betont, sind mit den Sozialdemokraten nicht drin. Die Alternative Liste begründet ihren Vorschlag zur Erhöhung der Gewerbesteuer mit dem Hinweis, Berlin sei „Schlußlicht“ im Bundesvergleich. Die 220 Millionen Mark, die die AL als Mehreinnahme berechnet hatte, will die SPD an ihrem eigenen ökologischen Umbauprogramm „Arbeit und Umwelt“ wegstreichen.

Dissens besteht weiter darüber, in welchen Intervallen die zusätzliche Nettoneuverschuldung getätigt werden soll. Die AL will den Löwenanteil bereits in den Haushalt 1990 setzen, die SPD will langsame Steigerungen bis 1992. Über den Gesamtumfang der Neuverschuldung gibt es keine Meinungsverschiedenheit. Auf 1,4 Milliarden Mark soll sie bis 1992 ansteigen.

Konsens besteht zwischen AL und SPD darüber, wie die zusätzlichen Gelder ausgegeben werden sollen. Ein Schwerpunkt neben dem Programm „Arbeit und Umwelt“ ist der Wohnungsbau. 7.000 neue Wohnungen pro Jahr will die rot -grüne Regierung bauen. Die Hochschulen sollen mehr Mittel bekommen und ein Teil des Geldes fließt in die Finanzierung der Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst. Alle anderen Projekte müssen, so ist es zwischen den Parteien bereits vereinbart, durch Umschichtungen innerhalb der einzelnen Haushalte finanziert werden.

Neben den Meinungsverschiedenheiten über die Finanzierung

der zukünfigen rot-grünen Politik Fortsetzung auf Seite 2

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standen etwa zwei Dutzend strittige Punkte auf der Tagesordnung. Dazu gehört unter anderem der vom noch amtierenden Senat beschlossene Bau des Deutschen Historischen Museums, dem „Geschenk“ des Bundeskanzlers. Auch bei der AL-Forderung nach Abbau der Polizei, Auflösung der Sondereinheiten sowie Abschmelzung des Verfassungsschutzes besteht Dissens. Einer von der AL geforderte Berufsbildungsabgabe der Unternehmen will die SPD ebenso nicht zustimmen. Einig werden konnten sich die Parteien ebenfalls nicht, ob die Diäten der Parlamentarier in den nächsten vier Jahren erhöht werden sollen. Man „einigte“ sich darauf, sie an die Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst anzukoppeln. Unklarheit bestand auch noch darüber, ob das Senatsressort „Jugend und Familie“ und eine eigenständige Verwaltung „Frauen“ aufgestockt werden soll. Sollte sich die AL in dieser Forderung durchsetzen, wird sie die entsprechende Senatorinnenstelle für sich reklamieren.