Weltgebetstag der Frauen 1989

■ Im katholischen St. Johann ging es einmal ohne die patriarchale Hierarchie

Das Bänkchen ist zum Knien. Fürs Davorstellen sind die Beine zu kurz, fürs Daraufstellen zu lang und außerdem die Schuh zu schmutzig, fürs Dahinter sitzt das Gelenk falsch. Die Katholikinnen wissen, daß man die Bänkchen nach vorn klappen kann. Sie scheinen von den 40 besetzten Reihen der katholischen Kirche von St. Johann aber nur zwei zu belegen, nur dort sind die Kniebänkchen hochgeklappt.

In den restlichen 38 behelfen sich die Frauen mit den drückenden Umständen, wie sie sind. Nur eine hat die Füße drauf gesetzt, die hat allerdings dazu die Schuh ausgezogen. Fast nur Frauen sind in Gottes Haus und drei Männer. Und der eine mit dem glutäugigen Priesterblick in der ersten Reihe, der wird bestimmt die Predigt halten in diesem ökumenischen Gottesdienst.

Zusammen mit Millionen von Christinnen, Katholikinnen, Protestantinnen, Freikirchlerinnen in aller Welt beginnen 180 Frauen in St. Johann, am 3. März, um 17 Uhr den Gebetsgottesdienst „Jesus, lehre uns beten“. St. Johann ist Gastgeber für die Innenstadtgemeinden.

Jede Frau hält ein Heft in der Hand, aus der sie Gebete und Lieder abliest. Zusammengestellt haben das Christinnen, hauptsächlich Baptistinnen, aus dem sozialistischen und buddhistischen Birma. Das hat in den 60er Jahren die christlichen Missionare rausgegeworfen, aber von den 39 Mill. Einwohnern, lese ich im weißen Heftchen, sind dennoch 1,6 Mill. ChristInnen, die Hälfte davon BaptistInnen.

Nein, der Glutäugige predigt nicht. In der katholischen Kirche des heiligen Johannes tun einmal die Frauen alles selbst. Zu beiden Seiten des Altars stehen Frauen, von sehr jung bis ziemlich alt, zwei treten jeweils vor und sprechen die Erläuterungen der Birmesinnen zum christlichen Bekenntnis und - im Wechsel mit der Gemeinde - die Fürbitte. In ihr findet sich der einzige inhaltliche Hinweis dieses Gottesdienstes auf Frauen: „Gott, in Jesu Namen bitten wir dich für alle Frauen, die ihre Kinder nicht ausreichend ernähren und versorgen können.“

Statt Predigt gibt es eine Auslegung von Lukas 11, 5-8. Auch das macht eine Frau, eine junge. Als sie sich setzt, nickt ihr die ältere Nachbarin Anerkennung zu. Die Kollekte für die Birmesinnen - mehr Zehn- und Zwanzig-Markscheine als Münzen - sammeln nicht die Herren Gemeindevorständler, sondern vier Frauen.

Und siehe, es geht ganz gut. Ein Hauch von Meditation und Konzentration liegt über allem. Und daß sie alle alles ablesen aus den weißen Blättern und es alles so engelhaft und saubersaftlos klang, wer wollte sich darüber beschweren. Nur die Kniebänkchen, wirklich, denen muß frau sich nicht ankasteien. Sie lassen sich bewegen.

Uta Stolle