Belog der VS-Chef das Parlament?

■ Das Dementi des Innensenators ist falsch: Das US-Dossier über Martin Thomas, den grünen Verfassungsschutz-Kontrolleur, kam doch nach US-Kontakten der Leitung des VS-Landesamtes zustande

Woher hat der amerikanische Armeeangestellte SFC Flaig, der in der Kaserne Rheinberg ein Dossier über den Grünen Martin Thomas und seine Zuverlässigkeit als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission des Verfassungsschutzes (PKK) angelegt hat, seine Kenntnisse? Woher wußte er, daß im Bremer Landesamt für Verfassungsschutz selber eine „Minderheit“ den Grünen in der PKK nicht für besorgniserregend halten, eine „Mehrheit“ allerdings besorgt („concerned“) sind wie führende Beamte des Staatsschutzes?

Der Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, Walter Wilhelm, hat der Parlamentarischen Kontrollkommission in einer vertraulichen Sondersitzung am vergangenen Dienstag erklärt, solche Informationen stammten nicht aus seinem

Amt. Der Innensenator Peter Sakuth hatte daraufhin vor der Presse dementiert: Der Verfassungsschutz und auch der Staatsschutz seien „in diesem Zusammenhang in keiner Hinsicht tätig geworden“. Nach der Sitzung hatte Martin Thomas berichtet, er habe den VS-Chef ausdrücklich auch nach informellen Kontakten gefragt und er, Thomas, sei aufgrund der gegebenen Auskünfte sicher, daß das Bremer Landesamt nicht die Quelle für das US-Dossier sei. (vgl. taz 25.2. -1.3.)

Das aber ist offensichtlich falsch. Der stellvertretende Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, Lothar Jachmann, hat auf einer Diskussionsveranstaltung am Freitag angedeutet, wie die US-Dienste an die Informationen gekommen sind. Das Dementi, das der Senator für Inneres verbreitet habe, so erläu

terte er auf Nachfrage, sei „im Kern richtig“, aber es „erfaßt nicht alles“. Mit dem amerikanischen Verbindungsmann für den Bremer Verfassungsschutz seien „natürlich über solche Sachen Gespräche geführt“ worden. Jachmann erinnert sich, daß „eine Beunruhigung bei den Amerikanern“ da war: „Sicherlich hat es diese Gespräche gegeben.“ Auch wie die Bewertung der Gespräche in dem US-Dossier seinen Niederschlag gefunden hat, wundert Jachmann nicht: „Ich habe mich als 'Minderheit‘ sofort erkannt.“

Wenn man davon ausgeht, daß der US-Vertreter für seine Meinungsbildung über „Mehrheiten“ und „Minderheiten“ in der Spitze des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz nicht nur die Abteilungsleiter, sondern auch den Chef gefragt hat, dann bedeutet das: Der VS-Chef Wilhelm hat

dem Parlamentsausschuß nicht die Wahrheit gesagt.

Der Innensenator meinte gestern, bisher habe er „keine neuen Erkenntnisse“ in der Angelegenheit. Wenn es da Widersprüche gebe, müßten die „nachvollzogen werden“. Auch für den Staatsschutz, der ohne parlamentarische Kontrolle direkt unter der politischen Verantwortlichkeit des Innensenators steht, hatte Sakuth am vergangenen Dienstag

dementiert, was niemand behauptet hatte: daß nämlich beim Staatsschutz „keinerlei Unterlagen Martin Thomas betreffend“ gesammelt seien und daß der „in keinerlei Hinsicht tätig“ geworden sei. Dieses Dementi berührt allerdings nicht die naheliegende Vermutung, daß der US-Kundschafter auch hier für sein Dossier nachgefragt hat.

K.W.

(vgl. auch den Veranstaltungs-Bericht auf Seite 18)