Rückkehr nach Irland

■ Erinnerungen an ein Tagebuch von Heinrich Böll, 22.10 Uhr im ZDF

„Langsam stach die Morgensonne weiße Häuser aus dem Dunst heraus, ein Leuchtfeuer bellte rot-weiß dem Schiff entgegen, langsam schnaufte der Dampfer in den Hafen. Möwen begüßten ihn, die graue Silhouette von Dublin wurde sichtbar, verschwand wieder: Kirchen, Denkmäler, Docks, ein Gasometer. Zögernde Rauchfahnen aus einigen Kaminen. Frühstückszeit für wenige nur: noch schlief Irland.“ Das sind die Worte, mit denen Heinrich Böll in seinem Irischen Tagebuch seine Ankunft auf der „Insel der Heiligen“, wie er sie nennt, schildert, bevor er müde vom Schiff taumelt. Das Buch - eine Sammlung von 18 Prosastücken, Skizzen, Kurzgeschichten und kurzen Erzählungen - 1957 in der Bundesrepublik erschienen, wurde als eines der schönsten, sprachlich und geistig reichsten Gegenwarts-Reisebücher rezensiert. Es war das literarische Ergebnis mehrerer Irlandreisen, die der Autor seit 1954 auf die grüne Insel unternommen hatte.

Heinrich Böll, der 1972 den Nobelpreis für Literatur erhielt, zeigt in seinem Tagebuch das idealisierte, poetische Bild eines Landes, in dem trotz Armut und sozialer Rückständigkeit die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit aufgehoben scheint. Peter Leippe, Autor der Sendung, hat sich auf die Suche nach dem Irland Heinrich Bölls gemacht, er kommt zu folgendem Ergebnis: „In den vergangenen drei Jahrzehnten, seit das Irische Tagebuch erschien, hat sich wenig geändert. Dem hoffnungsvollen Aufschwung in den sechziger und siebziger Jahren, als zum ersten Mal die Zahl der Rückkehrer die der Auswanderer überstieg, folgte auf die weltweite Rezession eine Dauerkrise der irischen Wirtschaft, und heute ist ein Arbeitsplatz in England, Australien oder den USA für den Iren wieder eine realere Cahnce als einer in Limerick, Cork oder Dublin. Fast ist alles wieder so wie 1954, als Heinrich Böll zum ersten Mal West-Irland besuchte.“

taz