Grüne zum RAF-Hungerstreik:

■ Der Versuch, die Kontroverse still und leise aus der Welt zu schaffen, scheiterte

Das Thema schwirrte seit dem Parteitagsbeginn durch die Halle. Immer wieder zogen sich kleine Gruppen zurück, um eine Lösung zu suchen. Die Grünen und der Hungerstreik, ein minenträchtiges, schwieriges Feld, das mit der Erklärung des hessischen Landesvorstandes einschlägig bestellt worden war. Der hatte die Besetzung seiner Geschäftsstelle durch UnterstützerInnen des Hungerstreiks mit dem unzweifelhaften Satz kommentiert, „mit allen, die einer Politik der Gewalt, dem bewaffneten Kampf oder militanten Aktionen das Wort reden, gibt es keine Gemeinsamkeit, keine Büro-Gemeinschaft und keine gemeinsamen Erklärungen“.

In einer im Saal verteilten Stellungnahme, u.a. von zahlreichen Hamburger Galiern unterzeichnet, die ihre Räume einer vergleichbaren Besetzergruppe zur Verfügung gestellt hatten, wurden die Hessen unmißverständlich aufgefordert, „dem Hungerstreikbüro Frankfurt geeignete Möglichkeiten“ zu verschaffen. Weil die Hessen von einer Bedrohung ihrer Mitarbeiter gesprochen hatten, wurde ihnen vorgehalten, die Hungerstreikbürogruppe „in unverantwortlicher Weise öffentlich brüskiert und der Gefahr der Kriminalisierung ausgesetzt“ zu haben.

Obgleich hier die Gegensätze unversöhnlich aufeinanderprallten, gelang es den verschiedenen Fraktionen bis zum Sonntag dann doch noch, den Delegierten einen Resolutionsentwurf zu präsentieren, der eine unspektakuläre Lösung zu versprechen schien. Bei der Vorstellung der Resolutionen kam es schließlich dennoch zum Knall. Zunächst hatte der Hamburger Franz Scheuerer gefordert, den RAF -Gefangenen eine „Solidarität ohne Auflagen, Relativierung und pädagogischem Impetus“ zukommen zu lassen. Jede „Modifizierung“ falle den Hungerstreikenden in den Rücken, eine von den originären Forderungen abweichende Stellungnahme sei „schlechter, als wenn die Grünen überhaupt nichts tun“. Antje Vollmer beharrte demgegenüber darauf, die Unterstützung - „es muß dringend etwas geschehen“ - „in unserer eigenen Sprache“ ausdrücken zu dürfen. Zwar seien die originären Forderungen „berechtigt“ und dürften „nicht kriminalisiert werden“, aber Antje Vollmer sah darin „eine spiegelbildliche Reaktion auf den Staat“. Es gehe um eine realistische Intervention, die verhindere, daß es Tote gebe. Außerdem, fügte sie unter großem Beifall hinzu, sei es überhaupt nicht mutig, wenn Unterstützer ein grünes Büro nach dem anderen besetzten.

Im Saal kam es wenig später zu einem Eklat, weil eine Unterstützergruppe zum Podium drängte und das Präsidium zunächst ohne Abstimmung einen Redebeitrag der Gruppe zulassen wollte. Darin sahen vor allem Leute aus dem Realolager eine „Manipulation der Versammlung“. Jochim Weretka von der GAL mußte den Präsidiumsplatz räumen, dann ließ die Versammlung die ungebetenen Besucher reden.

Berichtet wurde von einer Besetzung eines grünen Büros im Sauerland, das in der Nacht vom 3.auf den 4.März von der Polizei geräumt worden war. Die Grünen wurden aufgefordert, die „Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz“ aufzugeben. Am Ende des Parteitages wurde eine Resolution verabschiedet, in der es unter anderem heißt: „Wir verstehen den Hungerstreik ... nicht als eine Fortsetzung der von uns abgelehnten RAF -Politik mit anderen Mitteln.“ Gleichzeitig lehnten die Delegierten mit knapper Mehrheit die Übernahme der „originären Forderungen der Hungerstreikenden“ ab. Die Partei fordert jetzt „die Zusammenlegung unter Bedingungen des Normalvollzugs“ und „das Zusammenkommen der Gefangenen in Gruppen“.

Walter Jakobs