„Haushalt und Familie, das ist Abteilung Inneres“

■ Aus Anlaß des Inernationalen Frauentages ein Einblick in die Männerwelt der DDR / Das traditionelle Männerbild ist trotz 40 Jahren Gleichberechtigung unangetastet geblieben / Nach den Frauenprotokollen von Maxie Wander liefert Christine Müller die Männerprotokolle

Ralf, 24, gelernter Schmied, zur Zeit freischaffend, lebt in freier Gemeinschaft mit Frau und Kind.

Was mich an Kerstin am meisten fasziniert, daß sie so unwahrscheinlich sinnlich und phantasievoll ist. Aber sie hat keine Ahnung von ihren wirklichen Interessen, weil sie bisher nur Pflichten kannte und von ihren Eltern zu Disziplin und Anpassung erzogen wurde. Sie ist vor allem darauf aus, eine sehr gute Lehrerin zu werden, ohne vorher mal was anderes ausprobiert zu haben. Ganz behutsam versuche ich, sie von ihren Fesseln loszumachen. Ich habe sie in einem Keramikzirkel angemeldet, um bei ihr die Freude am künstlerischen Gestalten zu wecken. Es macht ihr heute Spaß, den Ton zu kneten und zu biegen, dabei Widerstände zu überwinden und dann eine geformte Idee in Händen zu halten. Von selbst wäre sie gar nicht darauf gekommen, sagt sie. Mit ihren Schülern ist das genauso. Sie unterrichtet Deutsch, wie sie es studiert hat, ordentlich brav nach Lehrplan, ohne mal nach links oder rechts zu gucken. Manchmal lese ich ein paar Aufsätze durch, oftmals bin ich anderer Meinung, weil ich von einem Schüler der zehnten Klasse ein paar eigene Gedanken und etwas Phantasie erwarte. Ab und zu gelingt es mir schon, sie zu provozieren und von ihrem Schulmeisterdenken abzubringen. Auf der anderen Seite hilft sie mir, indem sie mein Schreiben ernst nimmt und mich immer wieder ermuntert weiterzumachen.

Wir leben seit einem Jahr von nur sechshundert Mark, weil ich an den Texten für unsere Band arbeite, und damit kann ich im Moment nichts verdienen. Ich hoffe, ich habe mal Gelegenheit, ihr auch was zu ermöglichen. Partnerschaft ist schließlich Geben und Nehmen. Da sind wir uns einig.

Streit gibt es meistens, wenn ich spät nach Hause komme, weil ich mit den Kumpels gequatscht habe und sie mich für die Wäsche oder irgendeine andere Hausarbeit eingeplant hatte. Ich brauche das Gespräch aber von Zeit zu Zeit mit anderen Leuten, sonst trockne ich ein. Kerstin konzentriert sich noch zu einseitig auf Alexander und mich. Ich habe meine Freunde, vor allem Roland. Wenn ich den nicht regelmäßig treffe, fehlt mir was. Er ist irre intelligent und noch kritischer als ich. Seine Herausforderung spornt mich an. Es regt mich auf, wenn er vor mir ein wichtiges neues Buch entdeckt oder selber was geschrieben hat und ich nicht. Das ist so eine produktive Rivalität zwischen uns. Ich brauche einen Freund, auf den ich stolz sein kann, einen, der auch von anderen anerkannt wird, weil er was drauf hat. Man muß auch mal von Mann zu Mann reden, über Frauen zum Beispiel. Es ist einfach unkomplizierter. Man versteht sich ohne viele Worte. Ein Mensch kann einem anderen nicht alles sein. Sich von Freunden abzukapseln, von der Gesellschaft, ist die sicherste Methode, eine Partnerschaft auf die Dauer auszuhöhlen.

Für solche wie mich, die sich nicht den allgemeinen Normen unbedingt anpassen, ist das Gefühl der Zusammengehörigkeit besonders wichtig. Ich brauche einen Zufluchtsort, zu dem ich immer wieder zurückkommen kann. Ob das unbedingt eine Frau sein muß, weiß ich nicht.

Vertrauen ist wichtig. Vertrauen in das, was der andere denkt, was er macht und wie er es anpackt. Ob man mal fremdgeht, ist doch nicht so wichtig. Ich könnte mit einer anderen Frau schlafen, ohne daß meine Liebe zu Kerstin darunter leidet. Und ich liebe Kerstin. Wir wollen noch unheimlich viel gemeinsam machen.

Der Frieden im Kleinen muß stimmen. In der Familie, zwischen den Menschen, sonst können wir den großen nicht machen. Ich bin ein parteiloser Parteiischer. Wem nutzt es, wenn ich glaube, etwas besser zu wissen, und damit hinter dem Berg halte. Deshalb schreibe ich auch. Und wenn es bloß Rosinen sind, die nicht aufquellen, nehme ich mir deshalb keinen Strick. Fange ich halt wieder in einem Betrieb zu arbeiten an wie all die anderen. Aber schreiben werde ich sicher trotzdem, weil es meine Art ist, über mich und andere nachzudenken.

Erich, 63, Genossenschaftsbauer, verheiratet, vier Kinder

Auf unsere Kinder sind wir stolz. Sie sind alle viere was geworden. Die Mädels haben sogar zwei Berufe gelernt. Unsere Große, das ist die an der Trasse, hat erst Schreibtechnik gelernt, weil se damals nichts anderes kriegte, und später noch ihren Bankkaufmann gemacht. Die zweite hat Maschinenbauzeichner gelernt und Ingenieur studiert. Christa, unsere dritte, hat auch studiert: Staatswissenschaften. Ihr Mann wollte das zwar nicht. Es soll ja noch solche Männer geben, die nicht wollen, daß ihre Frau studiert. Aber bloß Hausfrau und Mutter wollte sie ooch nicht sein, und so hat se sich eben durchgesetzt und noch vier Jahre Fernstudium gemacht. Und heute ist se bei der Akademie und verdient een schönes Geld. Ihre zwee Kleenen sind leider oft krank, und sie muß zu Hause bleiben. Kein Betrieb sieht das gern. Wenn's mal ganz brenzlig wird, macht sich Opa frei und fährt mit den Kleenen zum Arzt.

Einen Lebenskameraden oder Freund ham se zwar alle, aber verheiratet sind se nicht. Na, das ist ja heute ooch nicht mehr so wichtig.

Was nun den Haushalt und das Finanzielle betrifft, da hab ich mich in all den Jahren nicht weiter drum gekümmert. Das ist Abteilung „Inneres“, wie ich immer sage. Meine Arbeit war und ist auf dem Feld und im Stall. Haus, Hof und Kasse sind das Revier meiner Frau. Die Kinder und ooch die Leute ham immer gedacht, daß meine Frau bei uns der Bestimmer ist, daß sie die Hosen anhat. Das ist aber nicht wahr. Es hat nur jeder seinen Bereich, und da waren wir uns ooch immer einig. Wenn einer Spargel von mir haben will, sage ich: Geh zu mir nach Hause, da ist die Frau, von der kriegste deine vier Pfund. Wenn aber einer ein Schwein haben wollte, dann war er bei mir richtig. Und wenn mal was Wichtiges war, 'ne Kuh verkaufen zum Beispiel oder 'ne große Anschaffung, dann ham wir das miteinander abgesprochen.

Ich glaube, ich war immer ziemlich großzügig. Aber im Grunde genommen ist das ja ooch ganz einfach. Wenn du dir was koofen willst und du hast Geld, dann koof es dir. Na, und wenn du's nicht hast, kannste's dir eben nicht koofen, sag ich zu meiner Frau. Denn manchmal, da will se ooch mit der Mode mit so wie die anderen Leute. Aber beklagen kann ich mich nicht über sie. Ich hab se ooch nicht beschimpft oder schlechtgemacht. So was käm mir gar nicht in den Sinn.

Wir hatten allerdings nie viel Zeit füreinander. Was zusammen unternehmen in der Freizeit, Ausflüge und Urlaub machen, hat bei uns selten geklappt. Unser Leben ist irgendwie anders als bei den Leuten, die wir so kennen, bei meinem Schwager und meiner Schwägerin zum Beispiel. Vor zwei Jahren ham wir das erstemal zusammen Urlaub gemacht. Vierzehn Tage in der Hohen Tatra. Das war eine Auszeichnung von der LPG, und die Frau konnte kostenlos mitfahren. Noch heute sagt se: Das war das Schönste in unserem Leben, und dafür wird se der LPG wohl ewig dankbar sein.

Was so entstanden ist auf dem Hof, ist vor allem ihr Werk. Sie ist unser Baumeister. Manchmal war es mir regelrecht zuviel. Sie hatte so ihre Vorstellungen vom Haus und der Wohnung, und ich hatte die Arbeit. Es gab wegen der Bauerei immer viel Streit. Früher, als Oma und Opa noch lebten, mußten wir ja erst deren Einwilligung haben, wir hatten das Haus ja bloß gepachtet. Meine Frau hat auf meine Eltern eingeredet, bis se endlich ja gesagt haben, und dann ging es aber los. Und jedesmal sollte es das letzte sein, und ich hab's ooch geglaubt. Und kaum war ein Vierteljahr vergangen, da hatte se schon wieder 'ne neue Idee, und so wird es wohl noch 'ne ganze Weile weitergehen.

Dirk, 16, Schüler

Mit fünfundzwanzig oder noch später heiraten, bloß nicht zu früh, wa. Vorher erst 'ne Wohnung beschaffen oder so'n Haus wie wir und alles schön einrichten. Und möglichst gleich ein Auto haben. Keene Pappe, was Besseres. Dann kann alles andere kommen. Meine Kumpels wollen auch nicht so früh Kinder haben. Ich seh das doch bei meinem Onkel. Der hat gleich nach der Lehre geheirate, mit neunzehn. Tierarzt wollte er werden. Nun hängt er mit Frau und zwei Kinder wieder bei den Eltern auf'm Dorf rum. Die Frau und die Kinder gehn dem unheimlich auf die Nerven. Der macht immer ein Gesicht, kann überhaupt nicht mehr lachen.

Gleichberechtigung in der Familie muß sein. Ich würde es blöd finden, mich von meiner Familie bedienen zu lassen. Bei uns macht Vater fast alles. Mutter kümmert sich um Kathrin. Deshalb hat sie auch ihre Arbeit aufgeben müssen. Ich habe weiter keene Pflichten. Manche Eltern zwingen ihren Kindern einen Haufen Arbeit auf. Vor allem was sie selbst nicht gerne machen, und das nennen sie Erziehung zur Selbstdisziplin und faseln, daß wir es damit im Leben mal leichter hätten.

Kennst du James Dean? So wie der guckt, so-ganz-langsam-von -unten-nach-oben-weg. Irre! Die Art, wie der sich gibt, wie der Auto fährt. Da ist immer Action. So möchte ich mal sein. Oder wie Marlon Brando, den finde ich auch gut.

Sorgen habe ich eigentlich keine. Heute is heute! An morgen denke ich eben morgen. Angst habe ich nur, daß mal Krieg kommt. Da haben wir alle Angst vor. Darüber reden wir auch in der Schule und in den Pausen, aber man kann doch nicht laufend dran denken, wa? Noch mehr Angst habe ich, daß mir mal einer meinen Parker klaut, oder vorm Zahnarzt, echt.

Textauszüge aus: Christine Müller „James Dean lernt kochen“, Männer in der DDR. Protokolle. Sammlung Luchterhand -Taschenbuch, SL 648