Die „Wilde Wutz“ baut sich ein Hüttendorf

■ Besetzer wollen Abriß von TU-Gebäuden am Einsteinufer verhindern / Ein Hüttendorf auf dem HdK-Nachbargelände soll die Abbrucharbeiten unmöglich machen / Studis und Unterstützer wollen in den Gebäuden eigene Projekte realisieren / Unterstützung durch HdK-Leitung

Die Sonne scheint. Der Geruch von frischgesägtem Holz liegt in der Luft. Auf dem Gelände Einsteinufer/Ecke Marchstraße wird gehämmert und gesägt. Ein mehrstöckiges Holz-Glas-Haus entsteht. Seit zehn Tagen ist das leerstehende, mit Bäumen und Gestrüpp bewachsene Grundstück besetzt. Aus einer kleinen Ansammlung von Zelten ist ein richtiges Hüttendorf geworden. Die Besetzer, StudentInnen und Nicht-StudentInnen, die sich in dem Verein „Wilde Wutz“ zusammengeschlossen haben, sind hier, um den Abbruch der Nachbarhäuser, Marchstraße 23 zur einen Seite und Einsteinufer 41 zur anderen Seite zu verhindern. Darin wollen die Studis wohnen und Raum für eigene Projekte schaffen. Aber der Erhalt der Häuser ist akut gefährdet, seitdem am 27.2. eine Abbruchgenehmigung erteilt wurde.

Drei Stunden vorher: vor dem Haus Marchstraße stehen Stühle, ein Tisch, Brot und Marmeladengläser. Ein Wagen vom Wasserwerk ist vorgefahren. Anscheinend soll die Hauptleitung abgeklemmt werden. Doch gemeinsam können die BesetzerInnen die Männer vom Wasserwerk an diesen Abrißvorbereitungen hindern. Ein kleiner Trupp von BesetzerInnen macht sich auf zum Charlottenburger Rathaus. Um zehn wurde ein Termin mit dem noch-amtierenden Baustadtrat Jürgen Laschinski (CDU) vereinbart. Neben Laschinski und mehrern Verwaltungsvertretern haben sich VertreterInnen von AL und SPD eingefunden. Sie lehnen den Abriß der Häuser ebenfalls ab. Die Häuser: sie gehören der Immobilienfirma Henning von Harlessem GmbH. Am Freitag wurden die letzten Mieter des Hauses Marchstraße kurzfristig in eine Pension gebracht. „Der letzte Mieter hat uns erzählt, daß er am Donnerstag angerufen wurde, und am Freitag war der Möbelwagen da. Die Möbel sind einfach in ein Lager gebracht worden“, erzählt eine der Besetzerinnen. Die beiden anderen Häuser stehen schon länger leer. Das Haus Einsteinufer war im Dezember kurzfristig von StudentInnen besetzt worden. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde am 16.12., einen Tag nach der Besetzung, das Haus verwüstet, Kachelöfen zerschlagen und Installationen zerstört. Jetzt sind Fenster und Türen zugemauert, das Haus versiegelt.

Im Sitzungssaal 2 im Charlottenburger Rathaus geht es derweil um die Vorgeschichte des geplanten Abrisses. „Was in der Zeitung steht, ist falsch“, stellt Noch-Baustadtrat Laschinski juristisch penibel klar. Er habe keine Abrißgenehmigung erteilt, da die Häuser nicht der Wohnungswirtschaft unterliegen würden. Deshalb gehe es in diesem Fall nur um eine Abbruchgenehmigung, die von dem Eigentümer am 6.Februar beantragt und am 27.2. vom Bauamt erteilt worden sei. Das Gelände ist im Bebauungsplan als Sondergebiet für Hochschule und Forschung ausgewiesen. Nach den bisherigen Planungsvorhaben, die schon drei bis fünf Jahre alt sind, soll hier ein Neubau für eine Großrechenanlage des Konrad-Zuse-Zentrums entstehen. „Gibt es denn überhaupt noch eine Möglichkeit, den Abriß zu stoppen?“ will Bernd Klockow von der AL wissen. Der Baustadtrat und seine Verwaltungsbeamten lächeln schweigend. Er werde den Fall auf der nächsten Bezirksamtssitzung vortragen. Außerdem seien zur Zeit schon Verhandlungen über den Kauf der Grundstücke durch das Grundstücksamt Charlottenburg in Gange.

Die BesetzerInnen sind enttäuscht, daß keine Vertreter der TU zu dem Termin mit Laschinski gekommen sind. Zwar wurde ein Brief von Fricke an Laschinski vorgelesen, in dem der Präsident sich für eine Aussetzung der Abbrucharbeiten ausspricht. Auch Vizepräsident Steinmüller hat den BesetzerInnen seine Unterstützung zugesagt. Die BesetzerInnen haben inzwischen für die Häuser ein alternatives Nutzungskonzept entwickelt. Von StudentInnen für StudentInnen sollen hier Wohnungen, Entwicklungswerkstätten und eine alternative Mensa entstehen. Eine Konzeption, die von der Unileitung als „sehr interessant“ bezeichnet wird. Man müsse jedoch die Finanzierung prüfen, und das kann dauern. „Die Bausubstanz ist gut. Das haben uns Architekten versichert. Und auch das Hinterhaus, das bislang als Ruine galt, könnte wieder instandgesetzt werden“, erklärt eine VertreterIn der Wilden Wutz. Die StudentInnen und ihre Unterstützer Innen wollen sich an der Durchführung der Renovierungsarbeiten beteiligen. Das würde auch die Kosten erheblich senken.

„Wir bleiben auf jeden Fall hier, um den Abriß zu verhindern“, erklären die BesetzerInnen. Dies können sie zur Zeit auch ohne Gefahr tun, denn das Grundstück, auf dem sich das wachsende Hüttendorf befindet, gehört dem Land Berlin und ist der Hochschule der Künste zur Nutzung überlassen. Die HdK jedoch toleriert die BesetzerInnen: „Diese politische Aktion unterstützen wir“, erklärt der persönliche Referent von Präsident Roloff-Momin, Wolfgang Abramowski. Ein Abriß der Häuser ist ohne Gefährdung der BewohnerInnen des Hüttendorfs nicht möglich. „Da bin ich mal gespannt, wie die das machen wollen, ohne auf unser Grundstück zu gehen“, so Abramowski.

-guth