Entwürfe

■ Große Barlach-Retrospektive in Schleswig

Mit dem Dichter Barlach vertraut zu sein, wird wohl kaum jemand behaupten. Aber auch wer bisher meinte, wenigstens den bildenden Künstler zu kennen, wird sich wundern: Die aus Rostock kommende und in Schleswig als einziger westdeutscher Station gezeigte Werkzusammenstellung Ernst Barlach, Denkzeichen - so ihr Titel - zeigt den Bildhauer und Graphiker jenseits gängiger Klischees.

In über 200 Exponaten, darunter auch Dokumente, vermittelt die Retrospektive einen Einblick in die wesentlichen Schaffensphasen des Künstlers und zeigt dabei seine Vielschichtigkeit: Holzschnitte, Zeichnungen in Blei und Kohle, Druckgraphiken, Skulpturen aus Gips, Porzellan, Bronze, Holz sind zu sehen. Solches gab es allerdings wenigstens ähnlich und zum Teil ausgewogener - auch schon anderswo.

Wirklich Neues bietet die Ausstellung aber in ihrem Herzstück: Zum ersten Mal wird ein Überblick über Barlachs Plastiken im öffentlichen Raum, über seine antimilitaristischen Mahn- und Ehrenmale, aber auch über weniger bekannte Grab- und Denkmäler gegeben. Viele der gezeigten Stücke entstammen dem Nachlaß und waren bisher nur äußerst selten zu sehen, ein nicht unerheblicher Teil sogar wird überhaupt erstmals zugänglich gemacht. Der Akzent liegt dabei auf einer Fülle von Skizzen, Entwürfen, Vormodellen, Werkmodellen usw. - mit der Intention, die Genese der Werke zu dokumentieren.

Die Ausstellung lehrt ein neues Sehen, indem sie die Fixierung auf das perfekte Endprodukt auflöst: Konsequent tritt jenes in diversen Fällen gar nicht mehr in Erscheinung; im Vordergrund steht das Ringen um seine Hervorbringung. Mitunter fertigte Barlach bis zu 30 Entwürfe für ein Werk - über Jahre hinaus und in verschiedenen Materialien. So sehen wir, um es am Beispiel des Magdeburger Ehrenmals zu zeigen, einen frühen Kohleentwurf; mehrere Kopfstudien, ebenfalls in Kohle; den ersten Gipsentwurf, getönt; die Hohlform des Kopfes der Mittelfigur als Negativ; ein Werkmodell aus Gips im Verhältnis 1:2 sowie einen Sockelentwurf in getöntem Gips.

Überall ist Barlach bei der Arbeit zu sehen; seine Kunst wird als langwieriger und vielschichtiger Produktionsakt erkennbar. „Das Werk ist ein Prozeß“, schrieb er 1912. Die Ausstellung trägt diesem Phänomen überzeugend Rechnung.

Ulrich Bubrowski

Bis 9. April