Hungerstreik für Arbeitsplätze

■ Zwei türkische Vertrauensleute der VDO in Frankfurt sind seit dem 1. März im Hungerstreik / Die VDO-Leitung hatte ihnen gekündigt, weil sie Entlassungspläne der Firma veröffentlicht hatten

Frankfurt (taz) - „Wir sind im Hungerstreik“, mit diesem roten Schriftzug auf ihren weißen Hemden sitzen Zafer Taskin und Mevlüt Pek seit dem 1. März vor einem Zelt an der Bockenheimer Warte in Frankfurt. Die beiden sind Ende Februar von der Vereinigten Deuta-Ota (VDO) gekündigt worden. Wegen ihrer gewerkschaftlichen Aktivitäten, sagen sie, aus persönlichen Gründen, sagt der Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei VDO, Karl Horst Bockholt. Die VDO produziert Meßinstrumente für Autoarmaturen, ist dick am Airbus-Geschäft beteiligt und lieferte der Rüstungsindustrie die Steuerung für den Leopard-Panzer. Ihren Hauptsitz verlegte sie von Frankfurt in das billigere Schwalbach im Taunus.

Die ehemaligen Angestellten des Betriebes sind davon überzeugt, daß bis zum geplanten Umzug des Frankfurter Rest -Werkes 1993 an den Stadtrand oder aufs Land rund 1.000 Mitarbeiter gekündigt werden sollen. Als Vertrauensleute der IG-Metall haben Zafer Taskin und Mevlüt Pek diese Nachricht innerhalb des Betriebs verbreitet. „Der Personalchef Hoffmann hat ganz offen gesagt, daß sie jetzt immer mehr Kündigungen aussprechen wollen“, berichtet Taskin. Und: „Die deutschen Kollegen zeigen keine Solidarität, weil es ja erst die Ausländer trifft.“ Eine Erklärung, in der die sofortige Wiedereinstellung der Arbeiter gefordert wird, wurde vom Betriebsrat mit neun gegen sechs Stimmen abgelehnt.

Über 500 Unterschriften für die Wiedereinstellung hat das „Solidaritätskomitee mit den VDO-Kollegen im Hungerstreik“ bereits innerhalb und außerhalb des Werkes gesammelt. Fast hundert sind am Samstag abend nach einer Theatervorstellung im Bockenheimer Depot, vor dem die beiden Hungerstreikenden ihr Zelt aufgebaut haben, gesammelt worden. Regisseur Dieter Hilsdorf hatte erlaubt, daß die „Ödipus„-Aufführung um eine Erklärung, die Taskin vortrug, bereichert wurde. Intendant Günther Rühle soll diese Geste für weitere Aufführungen untersagt haben.

„Wir werden hungern, bis die Geschäftsleitung Stellung nimmt“, erklärten die beiden Arbeiter. Bei VDO will man von all dem nichts wissen, weder von den tausend Mark, die bisher im Betrieb für die Entlassenen gesammelt wurden, noch von der großen Demonstration, die für Freitag geplant ist, und schon gar nichts von geplanten Entlassungen: „Wir ziehen um mit Mann und Maus.“

Rainer Roth, Professor am Fachbereich Sozialarbeit an der Fachhochschule, versucht als aktives Mitglied des „Solidaritätskomitees“ Kontakt zu Betriebsräten anderer Firmen zu knüpfen und auch die IG-Metall endlich zu einer Stellungnahme zu bewegen. Bisher hat die Gewerkschaft der VDO lediglich bestätigt, daß die beiden Entlassenen tatsächlich Vertrauensleute waren. Die Firma hatte geleugnet, von diesem Status der beiden Kenntnis zu haben.

Noch fühlen sich Zafer Taskin und Mevlüt Pek gesund genug, um weiter zu hungern. „Und wenn wir nicht mehr können, haben sich bereits Kollegen bereit gefunden, ihren Urlaub zu nehmen und für uns hier weiterzumachen.“

mc