Nach Rushdie jetzt Dante

Göttliche Komödie: Selbst ein seit 600 Jahren toter Dichter kann den Islam beleidigen  ■  Aus Rom Werner Raith

Vor gut sechshundert Jahren hatte Dante Alighieri in seiner „Göttlichen Komödie“ den Propheten Mohammed in die Hölle verbannt und dessen Höllenqualen (wegen Ketzerei) mit allerlei unappetitlichen Details geschildert. Nun drohen aufgebrachte Moslems in einem Brief an die Tageszeitung 'Il resto del Carlino‘ und an den Bürgermeister von Ravenna, das Grabmal des Dichters neben der Kirche Francesco in die Luft zu jagen, sofern die Stadtverwaltung nicht öffentlich erklärt, daß Dante die Unwahrheit geschrieben hat.

Zwar verweist Bürgermeister Mauro Dragoni darauf, daß Dantes Grab schon öfter Gegenstand von Erpresserbriefen war, doch die Polizei nimmt die von den „Revolutionswächtern“ unterschriebenen Drohungen durchaus ernst - zumal in der Nacht zum Sonntag im nicht weit entfernten Padua eine Buchhandlung des Mondadori Verlages in Brand gesetzt wurde. Mondadori war der einzige europäische Verlag, der ohne Wenn und Aber der Drohung Khomeinis gegen Salman Rushdie und seine Satanischen Verse durch sofortige Publikation der Übersetzung getrotzt hatte. Auch in Venedig, Trient, Verona und Bozen berichten Buchhändler über wilde Drohungen oft vermummt ins Geschäft stürzender Männer, sobald das Rushdie -Werk in die Auslage gelegt wird.

Auslöser für die Aufregung um Dantes Verse (die eigentlich nie jemanden gestört haben außer zu seiner Zeit die katholische Kirche, weil Dante auch deren Päpste und Heilige reihenweise in die Hölle schickte) war offenbar der Vortrag einer französische Literaturprofessorin. Im Rahmen eines Vorlesungszyklus‘ „Lettura dantesca“ zitierte sie ausgiebig die inkriminierten Texte des 28.Gesangs in der „Hölle“ und schickte damit den Dichter ins moslemische Kreuzfeuer.