Rot-Grün dräut übers Kapital

■ ZBA, IHK, ADAC und Geschäftsführende Senatoren sind nicht zufrieden mit rot-grünen Verhandlungsergebnissen / Berliner Börse reagiert moderat

Kaum haben SPD und AL ihr zukünftiges Regierungsprogramm vorgestellt, fürchten die jeweiligen Lobby-Verbände bereits um ihre Pfründe. Die Zentralvereinigung Berliner Arbeitgeberverbände (ZBA) äußerte auf ihrer gestrigen Jahrespressekonferenz erhebliche Besorgnis. Kontinuität und Glaubwürdigkeit seien in der Wirtschaftspolitik das „Gebot der Stunde“, beschwor ZBA-Hauptgeschäftsführer Hartmann Kleiner den Geist der freien Marktwirtschaft. Dazu gehöre auch die Berechenbarkeit der Berlin-Förderung, die SPD und AL Anfang der neunziger Jahre einer Effizienzprüfung unterziehen wollen. Die durch den unvermeidlichen Strukturwandel entfallenden Arbeitsplätze, so Kleiner, könnten nur ersetzt werden, wenn es gelinge, neue Investitionen für die Stadt zu gewinnen.

Wegen des hohen Strompreisniveaus seien zumindest mittelfristig alle Spielräume für Kostensenkungen zu nutzen, intendierte Kleiner weiter. Der Vertrag über den Elektrizitätsverbund zwischen dem Atomstromlieferanten Preussen-Elektra und der Bewag dürfe daher unter keinen Umständen suspendiert werden. Auch dürften keine Einschränkungen im Flugverkehr und kein Abbau der Fluggast -Subventionen angestrebt werden. SPD und AL wollen den Ausbau der Berliner Flughäfen stoppen.

Auch die Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) beklagt die „Widersprüchlichkeit und Wirklichkeitsferne“ des rot -grünen Programms. Die IHK befürchtet großen Schaden für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, wenn „die an vielen Stellen vorgesehenen dirigistischen Eingriffe tatsächlich vorgenommen werden“. Das Zurückdrängen privater Initiative und die Behinderung wirtschaftlicher Dynamik wären dann die Folge.

Der Chef der Siemens-Tochter Interatom, Claus Berke, sprach warnend gleich von „erheblichen Beschäftigungsschwierigkeiten“, wenn die von SPD und AL angekündigte Ablehnung des geplanten Ausbaus eines Forschungsreaktors in Berlin zum Signal für eine generelle Abmeldung aus der Atomphysik werde. Siemens ist immerhin mit 23.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Stadt. Siemens-Geschäftsführer Putzmann warnte allerdings vor einer Überschätzung des Wirtschaftsstandortes Berlin. Investitionsentscheidungen würden langfristig geplant und wegen eines Regierungswechsels nicht gleich umgestoßen.

Nicht ganz so düster sieht die Sprecherin der Berliner Börse, Ursula Wiegand, die Entwicklung. Obwohl CDU und die FDP seit Wochen schwarze Prognosen für die Wirtschaft zeichnen, seien Unternehmensentscheidungen oder der Wertpapierhandel an der Börse von rot-grünen Perspektiven bisher nicht beeinflußt. „Abwarten und Tee trinken“, meinte die Börsensprecherin lakonisch.

Ganz andere Sorgen plagt die Lobby der City-Raser, den ADAC. Er fürchtet, daß seinen blechernen Schützlingen der Lebensraum entzogen wird. Er fordert deshalb „ein angepaßtes und leistungsfähiges Hauptverkehrsstraßennetz“. Ein Stopp des Berliner Straßenbaus werde strikt abgelehnt. Auch eine Parkplatz-Reduzierung würde laut ADAC erhebliche Probleme schaffen. „Kommt als nächstes die Verordnung, daß jeder Autofahrer sein Fahrzeug zu verkaufen hat?“ weist der ADAC eine bislang unbeachtete Perspektive auf.

Auch die zurückgetretenen, aber noch amtierenden Senatoren melden ihre Bedenken an. Justizsenator Rehlinger verschafft die Vorstellung, daß alle Drogenabhängigen aus der Haft entlassen werden, sowie eine Politik in Richtung Vollzugsöffnung jetzt schon schlaflose Nächte. Die Forderung nach Auflösung der Abteilung für die Bekämpfung politisch motivierter Straftaten bei der Staatsanwaltschaft sei ebenfalls höchst bedenklich, meinte Rehlinger.

Das Programm von AL und SPD sei ein „finanzpolitischer Trümmerhaufen“, schimpfte Noch-Finanzsenator Rexrodt. Die rot-grünen Haushaltsvereinbarungen seien nicht finanzierbar. Der neue Senat beschreibe seinen Konkurs, noch bevor er mit der Arbeit begonnen habe. „Unser Haushalt war solide“, versicherte Rexrodt.

du