Names Projekt im Dom

■ Eine Ausstellung zum Gedenken an die Aids-Toten der Welt im Bremer Dom / Names Projekt aus San Francisco / Acht Stoffbahnen für 64 Tote

Glen Coulsen. Curt Davis. Rolf Lader. Doug Dickinson. Gustavo Rojas Vila und Dirk Steinbrinker. Sechs Namen von HIV-Infizierten, die in den letzten beiden Jahren gestorben sind. Ihnen und 10.000 anderen Aids-Toten gedenkt das „Names -Projekt“ aus San Francisco, daß für fünf Tage im Bremer Dom ist.

Das Projekt will viel: Den Menschen eine Möglichkeit geben, ihrer persönlichen Trauer um einen Aids-Toten Ausdruck zu verleihen. Das Ausmaß der Epidemie verdeutlichen. Für den einzelnen erkrankten Menschen Mitgefühl schaffen.

Und dann komt man in den Dom und es gibt gar nicht viel zu sehen: nur acht Flickenteppiche aus jeweils acht Stoffteilen, alle 90 mal 180 Zentimeter groß, alle beschriftet mit den Namen und Lebensdaten Verstorbener, man

che bunt wie ein Regenbogen, andere in schlichtem Weiß, viele illustriert mit kleinen Zeichnungen und Bildern.

Es sind ganz unkünstlerische Arbeiten. Aber sie entziehen sich jeder ästhetischen Beurteilung. Denn sie sind nicht gelungen oder schlecht, sie sind wahr: Jedes der kleinen Teile ist Ausdruck der Trauer um einen geliebten Menschen. Und daran gibt es nichts zu kritisieren.

Die in Bremen ausgestellten Flickenteppiche sind Teil eines riesenhaften quilt, der im letzten Jahr in Washington zu sehen war: 8288 Einzelteile, die alle für einen Toten stehen, entworfen von Freunden, Verwandten und Partnern, die einen Menschen an Aids verloren haben.

Es muß ein bewegender Anblick gewesen sein: Eine gigantische Decke, groß wie ein Fußball

stadion, gewebt aus Leid und Verzweiflung und Wut, dessen Einzelteile verdeutlichen: Die HIV-Toten sind keine namenlosen Opfer, einzig dazu nutze, in sterilen Statistiken zur Abschreckung aufgelistet zu werden. Sie waren vielmehr Einzelwesen mit Vorlieben und Abneigungen, Gewohnheiten und Wünschen, die im Gedenken der Verbliebenen und Freunde lebendig geblieben sind.

Der kleine Ausschnitt im Dom spiegelt auch dieses individuelle Andenken wieder: Adolf Lader liebte Hunde, Blumen, das Kartenspiel und die Musik; Doug Dickinsons Name ist gar nicht stilisierend von einem Segelboot, einer Kamera und einer Whiskeyflasche eingerahmt und unter Davids Namen, ist ein Liebesbrief seines Partners Noel aufgestickt: „Thank you for sharing

your life. Your man.“

Es ist eine sehr einfache und schöne Idee, die da in San Francisco realisiert wird: Dem individuellen Gedenken an einen Toten einen kollektiven Ausdruck zu verleihen.

So hat jedes der patchwork-Teile seine eigene Würde, gleichgültig, ob einfallsloser als ein anderes oder weniger ansprechend gestaltet. Und wenn eines besonders schön ist, dann steht es für alle, so wie das Abschiedsgeschenk für einen Freund, auf dem steht: „WE LOOK FOR YOU IN THE RAINBOWS . So steht man in der Südkapelle des Doms, die schon im Mittalalter Gedankstätte für die Toten war und gedenkt dieser 64 Menschen, die man nicht kennt, die aber nicht anders waren als der Freund oder Bekannte, den man vielleicht schon selbst verloren hat.

FWG