„Über die Verläßlichkeit gab es nie einen Zweifel“

■ Interview mit Albert Statz, Abgeordneter der Alternativen Liste, über die Einzelheiten der Zusammenarbeit mit der SPD und die Eigenständigkeit der AL / Politische Arbeitsteilung zwischen Partei und Fraktion / „Wir sind angreifbar“

taz: Das sogenannte „Technikpapier“, das die AL mit der SPD gerade aushandelt, in dem die Einzelheiten der Zusammenarbeit in einer Koalition geregelt werden soll, beinhaltet für die AL eine ganze Reihe „Knebel“. Wird die AL überhaupt noch eine eigenständige parlamentarische Arbeit machen können?

Albert Statz: Die SPD hat unmißverständlich klar gemacht, daß alle parlamentarischen Initiativen, bevor sie an die Öffentlichkeit können, durch den Koalitionsausschuß abgesegnet werden müssen. Daß wir weiterhin eigenständige Initiativen einbringen, kann schon sein, aber eben nur mit der Erlaubnis der SPD.

Wie will denn da die AL-Fraktion zukünftig ein eigenes Profil entwickeln?

Das wird einerseits dadurch zu geschehen haben, daß wir in unseren Reden und in anderen politischen Initiativen versuchen, die eigenen Positionen deutlich zu machen und dafür zu mobilisieren. Und das wird, so ist zumindest die Vorstellung der SPD, in einer Arbeitsteilung zwischen Fraktion und Partei laufen müssen. Das heißt, dafür ist dann zukünftig die Partei zuständig.

Die SPD versucht die AL an die Leine zu nehmen, weil sie Sorge hat, daß die Partei während der Koalition Zicken macht. Ist das - im Sinne der SPD gedacht - nicht berechtigt?

Also erst mal muß man sagen, daß die SPD an der Frage Eigenständigkeit der Fraktionen gemauert hat und unnachgiebig war. Die Sozialdemokraten haben immer mit der Akzeptanz in der Stadt argumentiert und haben deshalb gefordert, der neue Senat und die Fraktionen müßten mit einer möglichst großen Geschlossenheit nach außen auftreten. Unser Verständnis von politischer Kultur ist ein anderes. Für uns bedeutet streitbare Zusammenarbeit immer, daß wir gemeinsam handeln und trotzdem kontrovers diskutieren. Über die Verbindlichkeit der Kooperation haben auch die Tolerierungsbefürworter keinen Zweifel aufkommen lassen. Ich könnte mir gut eine Zusammenarbeit vorstellen, die streitbar und verläßlich ist, die aber lebendiger ist und den Parlamentarismus stärkt.

Wie kann das praktisch vor sich gehen?

Es würde z.B. bedeuten, daß wir eigene Anträge im Parlament einbringen können, zu welcher Frage auch immer. Man könnte das vorher mit der SPD absprechen und klar machen, das ist unser Impuls für eine öffentliche Debatte. Das heißt nicht, daß es wechselnde Mehrheiten bei Abstimmungen geben muß. Jetzt ist es so geregelt, daß die Konflikte, die es geben wird, in einem Koalitionsausschuß hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden und die AL nach außen gemeinsame Positionen zu vertreten hat. Das ist nicht unsere Absicht. Wir müssen unterscheiden zwischen dem vereinbarten Arbeitsprogramm, wo wir nur einvernehmlich handeln können, und dem Rest, wo eigene Initiativen möglich sein müssen. Unsere Befürchtung ist, daß wir überhaupt keine Luft mehr zum Atmen haben. Ich will auch noch mal ganz deutlich sagen, daß es uns nicht um ein wechselseitiges Vorführen geht und nicht um ein verantwortungsloses Spekulieren auf wechselnde Mehrheiten. Es muß eine feste und verbindliche Zusammenarbeit geben, aber diese Zusammenarbeit muß auch ganz klar nach außen zeigen, daß da zwei unterschiedliche Parteien sind. Ich kann hier auch die Vorstellung der SPD von der Arbeitsteilung zwischen Partei und Fraktion nicht teilen, weil ich glaube, daß die öffentliche Auseinandersetzung im Parlament zentraler Teil des politischen Lebens in der Stadt ist und daß man diese Aufgabe nicht auf die Parteien reduzieren kann.

Eine rot-grüne Regierung, die öffentlich streitet, ist wesentlich angreifbarer.

Wir sind angreifbar. Und wir können dem Problem nur dadurch begegnen, indem wir offensiv damit umgehen. Die Differenzen zwischen den Parteien sind auch in der Öffentlichkeit klar. In dem Maße, wie wir sagen, es ist so, und wir arbeiten trotzdem zusammen, und zwar verläßlich, wird auch klar, hier steht die SPD und hier die AL. Das ist die einzige Möglichkeit, eine gesellschaftliche Mehrheit in dieser Stadt für Rot-Grün zu erreichen.

Interview: bf