„Der beste Tourismus ist kein Tourismus“

■ Studenten präsentieren den FU-Ergänzungsstudiengang „Tourismus“ auf der ITB / Überwiegend Sozialwissenschaftler werden in einem Jahr zu Experten für Touristik-Management und regionale Fremdenverkehrsplanung ausgebildet / Ursachenanalyse wider ökonomische Interessen

„Wie bringen wir Touristen am besten unter, und das möglichst umweltbewußt?“ Mit dieser Formel umreißt ein Student, womit er sich seit letztem Wintersemester an der Freien Universität beschäftigt. Im Rahmen des Ergänzungsstudiengangs Tourismus setzt er sich mit allem auseinander, was Volkes Reiselust betrifft. Zusammen mit seinen Kommilitonen hat der Politologieabsolvent auf der Internationalen Tourismusbörse Stellung bezogen, um über Lehrinhalte und Studienaufbau des Studiengangs Tourismus zu informieren.

Und das tut er dann auch: 30 Studenten würden jährlich aufgenommen. Ein abgeschlossenes Studium sowie gute Englischkenntnisse seien Voraussetzung, erklärte der Touristikstudioso, während er die Studienordnung über den gläsernen Tresen des Infostandes schiebt. Dauer der Ausbildung zum Touristikexperten: ein Jahr. Viel zu kurz, wie er findet. Doch habe der Studiengang auch Vorteile: „Im Gegensatz zum Fachhochschulstudium, wo die Touristik meistens der Betriebswirtschaftslehre angegliedert ist, spielt bei uns der soziale Bereich eine größere Rolle.“ Unter seinen Kommilitonen hätten die meisten ein sozialwissenschaftliches Studium hinter sich, die wenigsten kämen aus den Wirtschaftswissenschaften.

Dennoch spielen bei dem Ergänzungsstudiengang, der seit drei Jahren als Regelstudienfach an der FU angeboten wird, ökonomische Gesichtspunkte eine Rolle. Tourismus-Management lautet das Stichwort. Hinter dieser Formel verbergen sich Sachgebiete wie Unternehmensführung, Marketingplanung und Finanzwirtschaft, die den Studenten vermittelt werden. „Ob ich nun Zahnpasta verkaufe oder eine Reise nach Syrien, ist im Prinzip das gleiche.“ Diese knallhart ökonomische Einstellung sei, so der Student, bei den Dozenten des Studiengangs gang und gäbe. Nicht so bei den Studenten. „Die kritische Auseinandersetzung mit Tourismus, auch gerade im wirtschaftlichen Bereich, ist uns wichtig“, meint der Tourismusengagierte. Deshalb hätten einige von ihnen auch Flugblätter gegen die Beteiligung Südafrikas an der ITB verteilt.

Ein weiteres Standbein der Touristik sei die regionale Fremdenverkehrsplanung, führt der Student weiter aus. Hier spielten in erster Linie geographische Aspekte wie Landeskunde, Meteorologie und Landschaftsplanung die erste Geige. Wissenschaftliche Reiseleitung und -planung füllten den Stundenplan der Studenten mit jeweils zwei Stunden. Der restliche Unterricht, der insgesamt wöchentlich 24 Stunden umfasse, werde durch fremdsprachliche sowie integrative Veranstaltungen, bei denen Reisefachleute über ihren Erfahrungsschatz plaudern, abgedeckt.

Praktische Erfahrung sammelten die Studenten vor allem im vierwöchigen Pflichtpraktikum, das zum Beispiel bei Reiseveranstaltern oder Fluggesellschaften absolviert werden könne. Vor allem aber die Projektarbeit stelle die Verbindung zur Praxis her. „Wir analysieren gerade einen Kurort im Harz“, erklärt der Touristikstudent. Mögliche Auswirkungen der Gesundheitsreform und Urlauberrückgang durch verstärkte Attraktivität des Auslands als Ferienziel würden die Studenten untersuchen. Der Effekt: Der Kurort soll auch unter ökologischen Aspekten wieder anziehender für Touristen werden.

Umweltprobleme sowie der landschaftliche Verschleiß von immer mehr Ländern durch den Tourismus würden während des Studienjahres nicht außer acht gelassen. So erklärt der Student in Sachen Touristik: „Wir befassen uns auch mit den Ursachen für den Massentourismus, warum viele Leute zum Beispiel ihren Urlaub nicht einfach zu Hause verbringen können.“ Natürlich würde eine solche Analyse im Widerspruch zu dem Touristikstudiengang stehen, denn die Absolventen wollten schließlich später mal im Reisegewerbe Fuß fassen, so der Student. Deshalb habe auch so mancher, der sich mit den herkömmlichen Tourismusstrukturen nicht identifizieren könne, Zukunftsprobleme. Denn: „Bei Neckermann will bei uns keiner landen, und überhaupt - der beste Tourismus ist eigentlich noch immer gar kein Tourismus“, formuliert der Student und richtet abschätzig seinen Blick auf die umliegenden Stände der Reiseunternehmen.

cb