Bonner Verwirrspiel um C-Waffen

Der Abzug amerikanischer C-Waffen aus der BRD bis 1992 findet nicht statt / US-Außenminister hat keine Zeitangaben gemacht / Bonn hatte Stationierung im Krisenfall zugesagt  ■  Aus Wien Andreas Zumach

US-Außenminister Baker hat vor der Wiener KSZE -Außenministerkonferenz nicht den Abzug der in der Bundesrepublik gelagerten Chemiewaffen „vor 1992“ angekündigt, wie dies in den letzten zwei Tagen zahlreiche Medien unter Berufung auf Bonner Regierungssprecher meldeten. Baker hatte ohne konkrete Zeitangabe lediglich erklärt: „Präsident Bush hat die neue Administration angewiesen, Wege zu untersuchen, um den Abzug unserer C -Waffen aus der BRD zu beschleunigen.“ Daran knüpfte Baker außerdem zwei Bedingungen, die in den Bonner Verlautbarungen unterschlagen wurden: „Der frühe Abzug verlangt die Existenz von sicheren Lagerstätten und die Entwicklung praktikabler Verfahren zur Zerstörung der C-Waffen.“ Beide Bedingungen sind in den USA bis heute nicht erfüllt. Nach Angaben des Pentagons stehen ausreichende Vernichtungskapazitäten nicht vor 1997 zur Verfügung. Gegen Transport und Lagerung chemischer Waffen gibt es in der US-Bevölkerung heftige Widerstände.

Für die Behauptung der Bundesregierung, Baker habe Kohl in einem Telefonat am Samstag konkretere Zusagen (Abzug vor 1992) gemacht, gab es in der Wiener US-Delegation keine Bestätigung. Auch der Text einer Zusage zum „Abzug bis 1992“, die der damalige Präsident Reagan Kohl angeblich im Mai 1986 in Tokio gemacht haben soll, liegt trotz zahlreicher Nachfragen aus dem Bundestag bis heute nicht vor. 1988 hatte der US-Delegationsleiter bei den Genfer C -Waffenverhandlungen, Friedersdorf, erklärt, seines Wissens existiere diese Zusage nicht schriftlich und binde die USA nicht über die Amtszeit Reagans hinaus. Außenminister Genschers Sprecher Chroburg erklärte am Montag abend in Wien, die durch Friedersdorfs Äußerungen entstandenen „Irritationen und Zweifel“ seien durch Bakers Wiener Aussagen vor einem „internationalen Forum“ beseitigt.

Die Aussage von Regierungssprecher Ost, es gebe keine konkreten Vereinbarungen über die Verbringung binärer Waffen in die Bundesrepublik, ist zumindest aus US-Sicht falsch. Präsident Reagan leitete dem US-Kongreß im Oktober 1986 eine offizielle Mitteilung über die Tokioter Absprache mit Kohl sowie einen bis heute geheimen Beschluß der Nato -Verteidigungsminister vom Mai 1986 zu. Danach hat sich Bonn zur Aufnahme von Binärwaffen „im Krisenfall“ verpflichtet, solange auch eine zweites westeuropäisches Nato-Land dazu bereit ist. Für den US-Kongreß ist dies ein bis heute verbindliches Dokument und war damals Voraussetzung für die von Reagan geforderte Bewilligung von Geldern für C-Waffen. Der Hinweis aus dem Auswärtigen Amt, die Frage der Verbringung von Binärwaffen in die BRD erübrige sich, wenn noch in diesem Jahr in Genf ein C-Waffenverbotsvertrag erreicht sei, ist ein indirekter Hinweis darauf, daß Bonn mit der US-Forderung nach C-Waffenstationierung rechnet, falls in Genf nicht bald eine Einigung erzielt wird.