Graumelierte Herren als Streikvorhut

Arbeitsniederlegung der Mechaniker bei der US-Fluglinie „Eastern Airlines“ wird von den Piloten und dem Bordpersonal unterstützt  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Flugkapitän Bob Hynes schaut zufrieden auf das Rollfeld des Washingtoner National Airport. Nicht viel tut sich vor dem „Eastern Airlines„-Terminal an diesem Dienstag mittag, dem vierten Tag des Streiks gegen die US-Fluggesellschaft. „Aus der letzten Maschine, die aus New York hier ankam, sind genau fünf Passagiere ausgestiegen“, sagt Hynes, als Pilot bei der Eastern beschäftigt, der mit einigen Kollegen im Terminal das Geschehen beobachtet. Draußen, vor dem Eingang zum Flughafengebäude, drehen weitere Piloten und Stewardessen mit Plakaten vor dem Bauch die Runde. „Uns geht es nicht um die Bezahlung“, sagt eine Stewardeß. „Es geht um unsere Arbeitsplätze, um deren Sicherheit und um unsere Würde.“

Nichts geht mehr bei „Eastern Airlines“, einer der traditionsreichsten US-Fluggesellschaften, seit die Mechaniker am Samstag in den Streik getreten sind. Zur großen Überraschung der Medien und des umstrittenen Eastern -Besitzers, Frank Lorenzo, haben die Piloten der Fluglinie die Streikposten des Bodenpersonals akzeptiert und die 250 Eastern-Jets am Boden gelassen. Am Montag warf das Unternehmen, das sonst täglich 100.000 Passagiere befördert, das Handtuch und setzte den Flugplan fürs erste außer Kraft. 5.000 Beschäftigte wurden nach Hause geschickt. Nur noch der Eastern-Shuttle zwischen Washington, New York und Boston soll verkehren - doch dort blieben Passagiere bisher Mangelware. Captain Hynes glaubt nicht, daß Frank Lorenzo, der zwanzig Prozent des US-Flugmarktes kontrolliert, den Arbeitskampf lange durchhalten wird: Der Streik kostet ihn etwa zehn Millionen Dollar pro Tag. „Endlich ist es soweit, wir bestimmen die Spielregeln, und er steht mit dem Rücken zur Wand“, freut sich Flugkapitän Hynes.

Lorenzo, der die Fluglinie im Winter 1986 kaufte, ist das Hauptziel der Streikenden. Seit vierzehn Monaten steuert er auf diesen Arbeitskampf hin, damit er die Gewerkschaft zerbrechen kann. Doch nun sitzt diese plötzlich am stärkeren Hebel. In spätestens drei Tagen wird der texanische Airline -Mogul sich entscheiden müssen, ob er an den Verhandlungstisch zurückkehrt, denn am Dienstag abend lehnte ein Richter in Miami ab, die Piloten zur Arbeit zu zwingen. Der Arbeitskampf bei Eastern Airlines ist von großer Bedeutung, nicht nur für die Fluggesellschaft, sondern für die gesamte Luftfahrtindustrie, die seit der unter Präsident Carter eingeleiteten Deregulierung kräftig durchgeschüttelt wurde. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Fluggesellschaften auf eine Handvoll regionaler Monopole geschrumpft, die Angestellten wurden zu immer neuen Zugeständnissen gezwungen, doch die Flugpreise sind bereits wieder am Steigen - ein Zeichen, daß die Zeiten der erbitterten Konkurrenz vorbei sind.

Es ist Frank Lorenzos beharrlichem Konfrontationskurs und den ungewöhnlichen Streikgesetzen in der amerikanischen Transportindustrie zuzuschreiben, daß ausgerechnet die Düsenpiloten - graumelierte Herren allesamt, mit Jahresgehältern um 80.000 Dollar - nun zur Vorhut einer US -Gewerkschaftsbewegung werden, die im letzten Jahrzehnt vor allem Niederlagen einstecken mußte und deren Ränge immer weiter geschrumpft sind. In anderen Industriezweigen ist der Streik weitgehend zur stumpfen Waffe geworden. Viele Bundesstaaten der USA verbieten sekundäre Streiks, erlauben hingegen den Einsatz von Streikbrechern, so daß viele Unternehmen ihre Arbeitskräfte eine Zeitlang durch das eigene Management oder durch angelernte Kräfte ersetzen können. Doch ein Flugzeug kann ohne Bordpersonal und ausgebildete Piloten nicht fliegen.

„Dies ist der wichtigste Arbeitskampf dieses Jahrzehnts“, sagt Jim Comley im Hauptquartier der „International Association of Machinists“, der Gewerkschaft der Eastern -Mechaniker. Wichtig ist er vor allem, weil Frank Lorenzo der Inbegriff des modernen Räuberbarons und Gewerkschaftsfeindes ist, wie sie die Reagan-Jahre in Scharen hervorgebracht haben. 1979 erwarb er die „Continental Airlines“, 1983 erklärte er die Gesellschaft für bankrott, womit alle Tarifverträge hinfällig waren - und halbierte die Löhne der Angestellten. Als er Eastern 1986 übernahm, kränkelte das Unternehmen bereits - nach Ansicht der Gewerkschaft vor allem wegen Lorenzos unfähigen Mangements. Seitdem sind die Verluste gestiegen, zuletzt betrugen sie eine Million Dollar pro Tag. Lorenzo verlangte in den Tarifverhandlungen Lohnzugeständnisse der Eastern -Beschäftigten und begann, die Fluglinie scheibchenweise zu verkaufen. „Lorenzo versucht, das Unternehmen systematisch zu zerstören“, sagt L.D.Williams, ebenfalls Eastern-Pilot am Flughafen. „Es ist doch seltsam, daß er seit fünfzehn Jahren im Airlines-Geschäft ist und nur Verluste erwirtschaftet hat. Auch seine zweite Gesellschaft, Continental, wo ohne Gewerkschaften und mit den niedrigsten Lohnkosten in der Industrie gearbeitet wird, macht Minus. Andere Fluglinien mit gutem Arbeitsklima und guten Löhnen und Sozialleistungen machen hingegen Gewinn.“

Die Gewerkschaft behauptet, daß Lorenzo seit Jahren versucht, Eastern finanziell auszubluten. So sind seit Ende 1986 800 Millionen Dollar über Lorenzos verschachtelte Holding-Gesellschaft „Texas Air“ in die Kassen der Continental geflossen.

„Lorenzo will nur eines: die Gewerkschaft bei Eastern brechen“, behauptet Williams. „Wir haben diesen Streik nicht gewollt, wir haben sogar angeboten, daß Washington als Schlichtungsinstanz fungiert“, sagt die Gewerkschaft. Doch Lorenzo beharrt auf den gleichen Forderungen, wie er sie vor vierzehn Monaten erhoben hat.